0226 - Tokatas Erbe
warf mir einen knappen Blick zu. »Das will ich auch schwer hoffen, mein Lieber, denn der Umgang mit dir wird von Mal zu Mal lebensgefährlicher.«
Bill stand mir zur Seite. »Wer einmal in den sauren Apfel gebissen hat, der muß ihn auch essen.«
Sheila erwiderte nichts, aber ich verstand sie. Sehr gut sogar.
***
Es war eine völlig andere Welt. Ein Land, das es nicht geben durfte.
Mit gewaltigen Bergen, noch größeren Meeren und einer unheimlichen Atmosphäre versehen.
Die Atmosphäre war in ihrer Düsternis wie ein gewaltiger, alles umfassender Schatten, die allerdings von einem seltsamen Gelb durchdrungen wurde, das irgendwo an der Unendlichkeit des Horizonts seinen Ursprung hatte.
Meere und Berge wechselten sich ab. Gewaltige Seen, deren Wasser graugrün schimmerte, zu hohen Wellen aufgetürmt wurde und mit unwiderstehlicher Kraft gegen die Berge donnerte.
Wie dieses Land mußte die Welt nach ihrer Entstehung einmal ausgesehen haben.
Leer und öd.
Und doch lebte etwas in dieser seltsamen Dimension.
Tief im Meer hatte Susanoo seinen Herrschaftsbereich, den er allein für sich beanspruchte. Er war der König, herrschte über die Fluten und lenkte sie mit seinem Willen. Seltsame Wesen begleiteten ihn.
Da waren die roten, kleinen Dämonen, die auch schon das Schwert von der Insel des Schweigens geholt hatten, um es ihm zu übergeben, Monströse Fische durchschwammen die Fluten. Halb Tier, halb Dämon.
Und nicht zuletzt die Drachen. Gewaltige, grüne, schuppige Riesen, die hin und wieder aus den Fluten stiegen und sich gegen die Felsen warfen, so daß die Berge fast bis in die Spitzen erzitterten.
Ein totes, ein grausames Land. Ein Land ohne Grün, ohne Leben. Wild, unheimlich, verlassen und vergessen. Aber er war jetzt bereit, in den Rhythmus der Zeiten einzugreifen, denn Susanoo deutete die Zeichen richtig.
Der Goldene war wieder aktiv geworden. Und damit stand die Rückkehr der Göttin Amaterasu unmittelbar bevor. Das mußte Susanoo auf alle Fälle verhindern. Die Göttin durfte auf keinen Fall wieder die Macht an sich reißen, denn dann würde sie ihn, Susanoo, vernichten. Deshalb wollte er mit allen Mitteln dafür sorgen, daß dies nicht geschah.
Und er hatte bereits einen Plan…
***
Von diesem seltsamen Land wußte ich nichts.
Meine Freunde und ich waren in einen höllischen Kreislauf geraten und mußten zusehen, daß wir ihm wieder entflohen. Dies würde mehr als schwierig werden, denn auf eine Hilfe des Goldenen konnten wir uns nicht verlassen. Ich schätzte ihn eher als einen Parasiten ein, der andere die Arbeit machen ließ und selbst nur die Früchte ernten wollte. Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich meinen Bentley durch das heiße London lenkte.
Es war kein Vergnügen, bei diesem Wetter zu fahren. Der Belag auf den Straßen schien sich in eine sirupartige Masse zu verwandeln und an den Reifen klebenzubleiben. Zudem drückte die Luft jetzt, die Abgase der Fahrzeuge lagen wie eine Nebelschicht etwa zwei Yards hoch über der Straße und machten das Atmen zur Qual.
Wie sollten wir das Grauen stoppen? Mir war klar, daß der erste Angriff nur ein reines Vorgeplänkel gewesen war, beim nächstenmal würde Susanoo härter zuschlagen, und ich fragte mich, welchen Plan er austüftelte. Er wollte nicht nur den Goldenen töten, sondern auch die Sonnengöttin Amaterasu, und ich kam einfach nicht umhin, mich auch mit ihr zu beschäftigen.
Japanische Mythologie!
Mein Gott, wie wenig wußte ich darüber. Aber wo konnte ich mehr erfahren? Es gibt Büchereien, auch besaß die Horror-Oma Sarah Goldwyn eine große Bibliothek. Die alte Dame wollte ich an diesem heißen Tag nicht stören, zudem lag eine der großen Büchereien fast in der Nähe.
Ich fuhr hin.
Hinter dem alten Gebäude mit der Stuckfassade hatte man einen Parkplatz angelegt. Er war relativ klein. Ich fand trotzdem noch einen freien Platz, denn bei diesem Wetter hatte kaum jemand Lust, in den großen Hallen den Bücherwurm zu spielen.
Eine angenehme Kühle umfing mich, als ich die große Eingangstür aufstieß. Die Information war von einer bebrillten Lady besetzt, die trotz des heißen Wetters noch ein Kleid trug, das fast bis zum Hals zugeknöpft war. Fragend, aber auch ein wenig ungnädig schaute mich die Frau an.
»Was wünschen Sie?«
Ich zeigte ihr meinen Ausweis. Sie wurde sofort freundlicher und erkundigte sich noch einmal nach meinen Wünschen.
»Haben Sie Literatur vorrätig, die sich mit japanischer
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