0227 - Gefangen in der Totenstadt
Gültigkeit Hohn. Der Schleim, aus dem Es bestand, kann unmöglich Materie genannt werden.
Tsat-hogguah, der Abgott des Amun-Re, hatte seinen Boten gesandt, das Opfer in Empfang zu nehmen. Es sollte das, was der Herrscher des Krakenthrons seinem Idol geweiht hatte, zu dem Götzen bringen, der im alten Atlantis in Gestalt einer Kröte verehrt wurde.
Aber in diesen längst vergangenen Tagen wurde das Wesen, das von seinen Verehrern wider besseren Wissens Tsat-hogguah genannt wurde, in Gestalt einer Kröte verehrt, um den Anblick des Götzen für das Auge des Menschengeschlechts erträglicher zu machen.
Denn niemand, weder die Schwarzmagier des Westens noch die verfluchten Zauberer des Ostens und auch nicht der Hexenkönig von Atlantis, hatte je die Gestalt des Tsat-hogguah gesehen noch erahnt.
Hätten sie es getan, auch der Verstand der Männer, denen der Anblick von Dämonen und Höllengezücht vertraut war und denen alle Scheußlichkeiten bekannt waren, die dieser Planet oberhalb und unterhalb der Erdkruste trägt, auch ihr Geist hätte sich umwölkt und die Leiber verlassen.
Zu lallenden Idioten wären die Geistergewaltigen geworden, hätten sie auch nur einen Hauch von dem gesehen oder verspürt, was Tsat-hogguah wirklich ausmachte.
Denn Tsat-hogguah war Es - und Es war Tsat-hogguah!
Es war aber nur ein geringer Teil des Ganzen. Denn wäre das Ganze erschienen, der Dämon Sejano hätte nicht mehr fliehen können.
Er wäre hinweggeweht worden wie die Spreu in der Tenne des Bauern bei aufkommendem Herbstwind.
Machtlos mußte der Gerichtsvollzieher Satans zusehen, wie ihm die sichere Beute entrissen wurde. Es verschlang das Unsterbliche des Antonio Gigli. Die Seele, die der Hölle gebührte, diente nun dazu, Mächte zu stärken, die selbst Satan verabscheute und fürchtete.
Furchtbar hatte das unergründliche Geschick die Sünden des Antonio Gigli gesühnt.
Von einem auf den anderen Moment war Es wieder verschwunden.
Es ging zurück in die verfluchten Dimensionen, in denen Es noch hausen mußte, bis die Große Brücke geschlagen und das Hohe Tor erbaut waren. Noch vieler Opfer wie Antonio Gigli würde Es bedürfen, um die kosmischen Türen öffnen zu können, aus denen das verderbte Gezücht den Weg von der Vergangenheit in die Gegenwart finden würde.
Aber alles hat seinen Anfang! Und dieser Anfang war die verlorene Seele des Antonio Gigli, die Es in sich aufgesogen hatte, wie ein trockener Schwamm unvorstellbaren Ausmaßes einen Wassertropfen aufsaugt. Es gierte nach neuen Opfern.
Aber das wußte der Dämon, der sich in der Welt der Menschen Claudio Sejano nannte, nicht. Er begann, nach menschlichen Maßstäben praktisch zu denken.
Die Seele war zum Teufel!
Als Mensch hätte Claudio Sejano über die Doppelzüngigkeit des Wortes gegrinst. Denn Es mußte ihm als das erscheinen, was für den Sterblichen der geschwänzte Satan mit Hörnern und Pferdefuß ist.
Sejano mußte Asmodis als seinem höllischen Ressortleiter eingestehen, versagt zu haben. Das konnte sehr übel für ihn enden.
Denn die Hölle hat eigene Regeln. Und vor diesen mit Flamme, Pech und Schwefel geschriebenen Gesetzen zitterte Sejano, soweit man bei einem Dämon von »Zittern« reden kann.
Um schlimmer Strafe zu entgehen, mußte er den Fürsten der Finsternis gnädig stimmen. Wie von ungefähr fiel Claudio Sejano das geflohene Mädchen ein. Nur diese unschuldige Seele, das war es, was Asmodis verträglich stimmen konnte. Er mußte sie wieder fangen! Was jetzt in dem Kreis der Menschen vorging, die Amun-Re als ihrem neuen Führer huldigten, war zweitrangig.
Irgendwo in den Gängen der Katakombe materialisierte Claudio Sejano wieder im Körper eines Menschen.
Der Dämon beschritt die Fährte des geflohenen Mädchens.
***
Pater Aurelian folgte seinem Stern.
Sooft die Dunkelheit ihren schwarzen Mantel über die Welt ausbreitete, huschte er unerkannt aus einer kleinen Seitenpforte der vatikanischen Mauern und begann seine Wanderungen.
Und diese Wanderungen waren mit menschlichem Geist nicht zu erforschen, denn sie erstreckten sich weit über Latriums Grenzen.
Aurelians Wege waren die des Übersinnlichen. Und mit den Kräften, die ihm als einem der »Väter der Reinen Gewalt« zu Gebote standen, bekämpfte er die Kreaturen der Finsternis, die überall auf der Welt hervorbrachen.
Pater Aurelian war kein gewöhnlicher Mensch. Und es war auch nicht sein erstes Leben. Denn einst, das wußte er ganz genau, war er ein Lukumo, einer der
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