0227 - Gefangen in der Totenstadt
des Krakenthrons wußte zwar selbst nicht recht, wie ihm die Krone Nutzen bringen konnte. Aber dennoch gierte er nach ihrem Besitz. Vielleicht konnte er sich die Kräfte der Krone auf andere Art zu Nutzen machen.
Denn die Sternenpriester von Weridar waren gute Menschen gewesen. Also konnte die Krone des Hohenpriesters nicht den Keim des Bösen in sich tragen. Das hätte Amun-Re bemerken müssen, als er die Abwehr des Dämonenfeuers mit ansehen mußte. Aber dieser Claudio Sejano war für Amun-Re jetzt zweitrangig. Gegen ihn, den Magier aus der Tiefe der Vergangenheit, hatte dieser Dämon nicht den Hauch einer Chance.
Vielleicht aber dieser Antonio Gigli. Dann nämlich, wenn er rein zufällig die Macht der Krone richtig ausnutzte. Denn Amun-Re war klar, daß solch ein Relikt, welches einst dem Hohenpriester von Weridar Weisheit und der Stadt Rom Macht gegeben hatte, eine Kraft besaß, die nicht so einfach zu besiegen war.
»Gib mir die Krone!« fauchte Amun-Re noch einmal. »Gib sie mir. Dann lasse ich dich am Leben, vielleicht… !«
Fordernd streckte er die Hand aus.
Antonio Gigli prallte zurück. »Bist du verrückt?« keuchte der Italiener. »Ich bin hier der Boß. Die Krone gehört mir!«
»Nein! Sie ist mein! Denn ich bin stärker!« Die Worte Amun-Res waren eine kalte Feststellung.
»Dann hol sie dir doch!« knurrte Gigli. Er hatte den Revolver inzwischen nachgeladen. Langsam hob er die rechte Hand, in der die Waffe ruhte. Aber seine Augen weiteten sich, als er sah, daß dieser hartgesichtige Mann mit dem violetten Gewand und dem sonderbaren Goldschmuck tatsächlich näher kam.
»Stehenbleiben!« keuchte Gigli. »Stehenbleiben. Oder ich schieße!« Die Mündung des Revolvers war genau auf Amun-Res Brust gerichtet.
»Bleib stehen, oder du siehst deinen Gott!« warnte Gigli noch einmal. Amun-Re antwortete nicht. Sein Gesicht glich dem eines Hais, dem das Opfer nicht mehr entwischen kann.
»Ich will dich nicht töten!« Schweißperlen standen auf Giglis Stirn.
»Die Krone!« zischte Amun-Re. »Die Krone. Dann darfst du weiterleben. Ansonsten mögen Tsat-hogguahs Kinder mit deiner Seele spielen!«
Da krümmte Antonio Gigli den Zeigefinger der rechten Hand.
Krachend entlud sich der Schuß…
***
So schnell sie konnte, hastete Sandra Jamis dahin. Sie wurde sich kaum bewußt, wenn ihre nackten Füße gegen Steine stießen. Die Fackel weit von sich gestreckt, versuchte sie verzweifelt, einen Ausweg aus den Katakomben zu finden.
Es war ihr völlig egal, daß sie nicht einen einzigen Faden mehr am Leib hatte. Nur fort von hier.
Dann hörte sie hinter sich tapsende Schritte.
Sie wurde verfolgt.
Würgende Angst stieg in Sandra Jamis hoch. Sie durfte sich nicht noch einmal erwischen lassen.
Ziellos irrte sie durch die Gänge. Namenlose Angst peitschte Sandra Jamis vorwärts. Nur nicht stehenbleiben. Jeder Aufenthalt brachte die Verfolger näher heran.
Und dann sah sie im flackernden Licht der Fackel die Gestalt des Claudio Sejano vor sich. Wie eine riesige Fledermaus schien er sich auf sein Opfer zu stürzen.
Sandra Jamis wirbelte herum.
Aber im gleichen Moment glitt ihr Fuß aus. Aufkreischend fiel das Mädchen der Länge nach hin. Und schon war Claudio Sejano über ihr.
»Hab’ ich dich endlich, Mädchen!« hechelte er. Aus seinem Mund drang ein Gestank, als würden Hunderte von Pestgräbem geöffnet.
»Nein!« keuchte Sandra Jamis verzweifelt! »Laß mich los… !«
»Nun bekommt Asmodis sein Opfer doch noch!« zischte Sejano.
Aber dann kam wieder die Stimme, die nur der Dämon hörte. Sandra Jamis konnte sich nicht genug wundern, daß dieser Sejano wortlos von ihr abließ und sich wieder aufrichtete.
Und dann sah sie, daß sein Körper plötzlich durchscheinend wurde und im Nichts verschwand.
Daß der Dämon eben von seinem Höllengebieter an das Einkassieren einer Seele erinnert wurde, interessierte Sandra Jamis überhaupt nicht. Sie angelte die Fackel und setzte ihre Flucht fort.
Claudio Sejano aber nahm jene astrale Geistgestalt an, die er sonst benutzte, wenn er an den Betten der in Todsünde Sterbenden stand, um nach dem Entweichen des Lebens das Unsterbliche zu fordern.
Denn es war Antonio Gigli beschieden, daß er nun für seine Sünden büßen sollte. Und hätte ihn auch der Teufel bei lebendigem Leibe geholt, es wäre ein gnädigeres Schicksal gewesen, als in die Hände des Amun-Re zu fallen…
***
Bellend löste sich der Schuß aus Antonio Giglis Revolver.
Wie eine Stichflamme
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