0227 - Gefangen in der Totenstadt
raste das Mündungsfeuer aus dem Lauf hervor. Das tödliche Projektil flog auf Amun-Re zu.
Im gleichen Moment spürte der Italiener einen wahnsinnigen Schmerz im rechten Oberarm. Seine erstaunten Augen sahen Blut aus dem Gewand dringen.
Der Gegner hatte sich gewehrt!
Aber womit?
Erneut drückte Antonio Gigli ab. Wieder raste das Krachen des Schusses durch den Raum. In den Gängen und Sälen der uralten Nekropole brach sich das Geräusch und hallte als schauerliches Echo wider.
Noch einmal durchraste ein wahnsinniger Schmerz Giglis Körper. Seine rechte Hüfte schien wie mit einem glühenden Eisen berührt. Antonio Gigli tastete mit der linken Hand nach der Stelle, an der die Schmerzen pulsierten. Das Gewand fühlte sich dort klebrig an. Gigli zog die Hand zurück. Die Innenfläche war naß. Im blakenden Fackelschein erkannte der Italiener das Blut.
Vor seinen Augen schienen rote Nebel zu wallen. In wahnsinnigem Stakkato löste Antonio Gigli die verbliebenen vier Schüsse aus.
Aber wie schon vorher schleuderte Amun-Re mit seinen unfaßlichen Kräften die Kugeln, die ihn treffen sollten, auf den Schützen zurück.
Ein einfacher Trick, schon geübt von den Magiern der unteren Grade in der Zeit, wo das Chaos über die Ordnung triumphierte und die hyborischen Reiche im Strudel der Pikteninvasion untergingen.
Es war Männern wie Amun-Re damals ein leichtes gewesen, Pfeile und Speere, Äxte und gezückte Schwerter mit der Gewalt des Geistes auf die Krieger zu lenken, die diese Waffen abgeschossen oder gegen ihn erhoben hatten.
Vom Standpunkt der Magie ist zwischen dem lautlosen Bogen und der Feuerwaffe kein Unterschied. Beides sind Schußwaffen, die aus der Entfernung den Tod bringen. Und die Sprüche, die den gefiederten Pfeil auf den Schützen zurücksenden, sind dieselben, die die tödlichen Kugeln an Amun-Res Körper abprallen und in Antonio Giglis Körper einschlagen ließen.
Der Italiener wurde, wie von unsichtbarer Gewalt geschüttelt, viermal herumgerissen. Das Echo der Schüsse klang wie ein Hohn auf Antonio Gigli. Nur mit Mühe hielt er sich noch aufrecht.
Keiner der Anwesenden wagte, auch nur ein Glied zu rühren oder ein Wort zu sagen. Das sich vor ihren Augen abspielende Geschehen schlug alle in seinen Bann. Fürchterlich demonstrierte der Herrscher des Krakenthrons hier vor aller Augen seine Macht.
Langsam schwankte Antonio Gigli nach vorn.
***
Claudio Sejano war zumute wie einem Tiger, den nur noch die Peitsche des Dompteurs von seiner sicheren Beute trennt. Unsichtbar für jeden Menschen war er doch anwesend, sich sofort auf das zu stürzen, was nach Giglis letztem Atemzug dem Körper entweichen würde. Denn durch die Verehrung alter Heidengötter hatte sich der Italiener ganz sicher die Gnade des Himmels verscherzt. Wer wollte Satan die ihm verfallene Seele vorenthalten?
Die Schatten des Todes umflorten den Mann, der einst die Altäre Jupiters aufrichten wollte. Sein Atem ging gepreßt. In seinen Augen flackerte die nackte Angst.
Wie aus der Tiefe eines anderen Universums kommen hörte er noch einmal die Stimme seines Überwinders.
»Narr!«
Abgrundtief triefender Hohn lag in dem Wort, das der Herrscher des Krakenthrons für den geschlagenen Gegner übrig hatte.
Durch wallende purpurrote Nebel sah Antonio Gigli nun Amun-Re auf sich zukommen. Und plötzlich schien die Gestalt des Magiers von unheiligem Feuer übergossen zu sein. Es war wie der Dornbusch am Berge Sinai, der brannte und doch nicht verbrannte.
Amun-Re breitete die Arme aus wie ein liebender Vater, der seinen heimkehrenden Sohn begrüßen will. Antonio Gigli fehlte die Kraft, um zurückzuweichen und dem Verderben zu entgehen. Er ahnte, daß in dieser Umarmung seine endgültige Verdammnis besiegelt war.
Dunkelrot entströmte der Lebenssaft seinem Körper. Gigli hoffte, daß der Tod ihn erreichte, bevor ihn Amun-Re umschlang.
Auch der noch immer unsichtbare Claudio Sejano hoffte das. Nur noch wenige Augenblicke. Dann konnte er sich mit Freuden auf das Unsterbliche Antonio Giglis stürzen und der Hölle eine neue gefallene Seele zuführen. Asmodis würde zufrieden sein. Denn immerhin hatte ihn der Fürst der Finsternis höchstselbst von seinem Opfer getrennt und nach hier entsandt. Asmodis hatte recht. Das Mädchen konnte nicht entkommen. Aber die Seele, die durfte nicht entschlüpfen.
Daß jemand ihm Giglis Unsterbliches streitig machen könnte, das ahnte Asmodis’ Gefolgsmann nicht im geringsten. Denn er hatte Amun-Re
Weitere Kostenlose Bücher