0227 - Stellas Rattenkeller
Nähe an.«
»Ihre Nerven möchte ich haben. Bleiben Sie lieber zurück. Die reißen Sie in Stücke, denn die sind wie die Piranhas. Ich kenne mich da aus.«
»Je schneller Sie verschwunden sind, um so rascher ist auch die Feuerwehr hier«, hielt ich ihm vor.
»Ja, ja, ich bin schon weg.« Er rannte, als wären 1000 Teufel hinter ihm her. Wir aber blieben.
Ich hatte einfach das Gefühl, die Ratten nicht mehr aus den Augen lassen zu dürfen, und auch Suko stimmte mir zu. Er sagte:
»Die haben irgend etwas vor, John.«
»Und was?«
»Wenn ich das wüßte, aber das sieht mir irgendwie gezielt aus. Das ist kein Paniklauf, ehrlich nicht.«
Da konnte er durchaus recht haben. Die Nager hatten das gesamte Feld besetzt. Als wir genauer hinschauten, bemerkten wir, daß sie sich keilförmig formiert hatten. Sie ließen das Grabfeld hinter sich und verschwanden zwischen den dicht wachsenden Friedhofsbüschen. Wir sahen sie nicht mehr, aber wir bemerkten, daß sich die Zweige und Blätter bewegten, als würden Hände sie streicheln.
Irgendwie wirkte es gespenstisch…
Der Himmel war dunkel. Einen Mond konnten wir nicht sehen.
Lange Wolkenbänke verdeckten ihn. Mich erinnerte der Himmel an ein graues Meer.
Vor uns lag der Friedhof in all seiner schaurigen Düsternis. Ich hatte Verständnis für die Menschen, die sich des Nachts nicht auf einen Friedhof trauten. Allerdings war es hier still, nicht so wie auf dem Friedhof der ewigen Schreie, wo ein Mensch in den Wahnsinn getrieben werden konnte.
»Gehen wir ihnen nach?«
Auf Sukos Frage nickte ich. Der Chinese hatte sich bereits umgedreht und war den ersten Schritt vorgegangen, als er ebenso wie ich in der Bewegung verharrte.
Beide hatten wir etwas gehört.
Es waren schreckliche, markerschütternde Schreie!
***
Ewige Schreie?
Nein, hier handelte es sich um etwas anderes, und wir konnten auch herausfinden, wer diese Schreie ausgestoßen hatte. Kein geringerer als der Kammerjäger. Ihn hatte es furchtbar erwischt.
Selbstverständlich mußten wir ihm helfen, doch es war schwierig, festzustellen, woher die Schreie kamen.
Suko hob den rechten Arm. Er deutete tiefer auf den großen Friedhof.
Ich lauschte noch einmal, hatte keinen besseren Vorschlag und nickte nur. Dann rannten wir los.
Die Ratten waren jetzt zweitrangig geworden. Für uns zählte der Mensch, der sich in Not befand. Ihm mußten wir helfen, und beide konnten wir uns gut vorstellen, daß er von den gefährlichen, ausgehungerten Nagern angefallen war.
Regelrechte Sprünge brachten uns voran. Wir jagten auch über Grabsteine hinweg, sanken manchmal in weiches Erdreich ein und drangen wie die Elefanten durch dichtes Gestrüpp, das wir kurzerhand niedertrampelten.
Noch immer waren die Schreie zu hören. Allerdings hatten sie sich verändert. Nicht mehr so gellend, so laut, dafür leiser und wimmernd, wenn mich nicht alles täuschte. So machte sich nur ein Mensch bemerkbar, der Schmerzen empfinden mußte.
Ich überholte Suko, gelangte auf einen schmalen Weg, hatte für einen Moment freie Sicht und schaute dorthin, wo sich ein hoher Grabstein groß, kantig und wuchtig aus dem Erdboden zu schieben schien. Auf dem viereckigen Stein befand sich ein Marmorengel mit ausgebreiteten Flügeln.
Diese waren als Halt zweckentfremdet worden, denn Slim Rafferty klammerte sich mit beiden Händen um das Gestein, während seine Beine bis fast zu den Schienenbeinen im Boden steckten.
Und wir sahen auch die kleinen, grauen Nager, die fortlaufend gegen den Bedauernswerten ansprangen und mit ihren spitzen Zähnen bereits einen Teil der Kleidung zerrissen hatten, so daß sie ihm die ersten Wunden zufügen konnten.
Ich zählte die Ratten nicht, aber überschlägig gerechnet, kam ich mindestens auf ein Dutzend.
Rafferty hatte keine Chance!
Drei von ihnen bissen sich an dem Mann fest. Andere sprangen an seinem Körper hoch, wollten auch an den Kopf und krallten sich in der zerfetzten Kleidung fest.
Das alles nahm ich innerhalb von nur wenigen Sekunden auf, während Rafferty allmählich die Kraft verließ und er sich nicht mehr halten konnte.
Seine Hände rutschten von den Flügeln des Engels ab. In wilder Panik schlug er noch gegen die Vorderseite der Figur, bekam auch hier keinen Halt, klatschte gegen den Grabstein und landete schließlich auf der weichen Erde.
Augenblicklich waren die Ratten über ihm.
Auch ich war da.
Ich hatte erst meinen Ekel überwinden müssen, denn es ist nicht gerade jedermanns Sache, gegen
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