0227 - Stellas Rattenkeller
rein?« fragte er.
»Das Zimmer steckt voller Ratten«, erwiderte Suko.
Slim Rafferty erschrak. Er wollte es kaum glauben, schüttelte immer wieder den Kopf und begann zu schluchzen.
Ich schaute den Weg zurück, den wir gekommen waren. Das aus den Wunden des Kammerjägers rinnende Blut hatte auf dem Boden eine makabre Spur hinterlassen. Tropfen reihte sich an Tropfen, bis hin zu uns, wo wir standen.
Schaurig…
Ich wischte über mein Gesicht. Bisher hatte noch keiner von uns eine Idee gehabt, wie es weitergehen sollte, auch Suko machte keinen Vorschlag.
Es blieb uns nichts anderes übrig, als den Weg noch einmal zurückzulaufen und vom Bentley aus anzurufen. Sicherheitshalber erkundigte ich mich, ob es nicht noch ein zweites Telefon im Haus gab.
Das war nicht der Fall.
»Also gehen!« stellte der Chinese fest.
Rafferty schüttelte den Kopf. »Nein«, flüsterte er. »Ich will aber nicht, verdammt. Ich kann nicht mehr, verstehen Sie das nicht. Ich will meine…«
»Denken Sie an die Ratten!« fuhr ich ihn hart an. »Die verstehen keinen Spaß, die wollen Sie zerreißen.«
Er hob die Schultern. »Verdammt, ich bin vergiftet. Wer weiß, wo sich diese kleinen Bestien vorher überall herumgetrieben haben? Schafft mich hier weg!«
Damit hatte Rafferty nicht so unrecht. Rattenbisse können zu gefährlichen Infektionen führen, und es gab für uns wirklich keine andere Möglichkeit, als seinem Wunsch nachzukommen.
»All right«, sagte ich, »dann wollen wir mal.«
»Wohin denn?«
»Zu unserem Wagen. Da haben wir auch ein Telefon. Es wird allerdings ein etwas beschwerlicher Weg.«
Er sank zusammen. »Mir ist alles egal. Ich will nur weg von diesen verfluchten Ratten.«
Das konnten wir verstehen, auch uns hielt nicht mehr viel auf dem Friedhof. Aller Wahrscheinlichkeit nach mußten wir uns jedoch noch länger mit diesem Problem herumschlagen.
Wir machten kehrt und näherten uns der Haustür. Jetzt von der anderen Seite.
Ich drückte sie auf. Diesmal war ich vorsichtiger, denn daß draußen Ratten lauerten, war gar nicht so unwahrscheinlich.
Deshalb paßte ich so scharf auf.
Es war nicht nötig. Keine einzige Ratte hockte auf der schmalen Treppe. Der Weg war frei. Ich drehte mich um und winkte den beiden Männern. Sie kamen auch.
Ich ging schon vor und hatte kaum die Treppe betreten, als ich abrupt stehenblieb.
Durch die Nacht hallte ein seltsam hohes Pfeifen, das überhaupt nicht hierher paßte…
***
Auch Suko und der Kammerjäger hatten das Pfeifen vernommen.
Dicht hinter mir blieben sie stehen und lauschten mit angespannten Gesichtern, wie die Töne seltsam hohl und auch schrill über den alten Friedhof geisterten.
»Das ist doch nicht normal!« hauchte Suko. Er wandte sich an den Kammerjäger. »Oder haben Sie schon so etwas gehört?«
»Nein, nie…«
»Wer kann das sein?« murmelte Suko.
»Ich weiß es nicht, aber mir fällt da eine Seltsame Geschichte ein, die ich als Junge mal gelesen habe. Sie spielt in Germany und heißt…«
»…der Rattenfänger von Hameln«, vollendete ich.
»Genau.«
»Ein Märchen«, meinte Suko.
Ich winkte ab. »Rede nicht so. Denk lieber an den letzten Fall. Susanoo und der Goldene sind auch keine Märchen. Verdammt, hier liegt einiges im argen.«
»Sollen wir trotzdem raus?« fragte der Chinese.
»Was hält uns hier?«
»Stimmt auch wieder.«
Wir mußten einfach nach draußen. Denn uns im Haus mit den Ratten auseinanderzusetzen, das war auch nicht mein Fall. Auf dem Friedhof hatten wir mehr Bewegungsfreiheit.
Wir konnten hören, daß dieses seltsam hohle Pfeifen den Ratten galt, denn sie wollten aus dem Zimmer, dessen Tür wir zugezogen hatten. Es gab dumpfe Geräusche, die durch den schmalen Flur hallten, als die vierbeinigen Nager sich von innen gegen das Holz warfen.
Ratten haben scharfe Zähne. Sie kommen überall durch. Manche Menschen sind überzeugt, daß sie sogar Beton schaffen. Wenn ich das auch nicht so recht glauben wollte, aber Holz setzt ihnen sicherlich kaum Widerstand entgegen.
Es war also nur eine Frage der Zeit, bis sie sich durch die Tür genagt hatten.
Im Rücken haben wollten wir die Ratten nicht. Suko und ich griffen gleichzeitig zu. Abermals umfaßten wir den verletzten Kammerjäger und zogen ihn die Stufen hinunter. Er war noch immer down, seine Beine knickten weg, und es bereitete ihm Mühe, überhaupt auf den Füßen stehenzubleiben.
Das Pfeifen war irgendwie widerlich. Da schwang keine Melodie mit, sondern nur grelle, für
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