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0227 - Stellas Rattenkeller

0227 - Stellas Rattenkeller

Titel: 0227 - Stellas Rattenkeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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wurden.
    Allmählich konnte ich erkennen, wer vor mir stand.
    Er trug eine Art Uniform, so daß man bei ihm auf einen Nachtwächter schließen konnte. Vielleicht auch auf einen Totengräber, so genau war das nicht festzustellen. Der Knabe war ein paar Jahre älter als wir, hatte ein breites Gesicht mit einer unwahrscheinlich langen Nase, deren Spitze wie ein Tropfen nach unten hing. Ich erkundigte mich nach seinem Namen.
    »Ich heiße Nose Rafferty. Nein, Slim. Nose ist nur mein Spitzname.« Er lachte bellend. »Sie können sich ja denken, weshalb.«
    »Ja, man sieht's.«
    »Und Sie jagen Ratten?« fragte Suko.
    »Leider.«
    »Aus welchem Grund?«
    Er lachte wieder so komisch. »Weil die Viecher da sind. Urplötzlich. Die wühlen sogar den Boden auf. Am Tag war eine Beerdigung, da sind sogar die Ratten aus dem offenen Grab gesprungen. Das hat vielleicht eine Panik gegeben, kann ich ihnen sagen.«
    »Und woher kommen die Ratten?« wollte ich wissen.
    »Keine Ahnung. Mich hat die Stadt abkommandiert. Eigentlich bin ich Kammerjäger. In dem Job muß man eben auch Ratten jagen. Wählerisch kann man nicht sein.«
    Ich nickte. »Das kann ich mir vorstellen.« Dann schaute ich Suko an. »Was hältst du davon?«
    Der Chinese hob die Schultern. »Wir haben ja noch etwas Zeit. Vielleicht sollten wir dem Herrn helfen.«
    »Au, Mann, das ist aber ein Angebot.« Rafferty bückte sich und hob einen Spaten auf, der bisher neben ihm gelegen hatte. »Da müßte ich Ihnen noch Schaufeln oder ähnliches Zeug besorgen.«
    »Später«, sagte ich. »Erst einmal schauen wir uns die Tierchen an. Wo sind denn die meisten?«
    Rafferty deutete in die Runde. »Überall. Es gibt keine Plätze, wo sie sich besonders konzentriert haben. Die bevölkern den Friedhof und sie scheinen irgendwie ausgehungert zu sein, denn sie greifen sogar Menschen an, habe ich gehört.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Heute auf der Beerdigung. Die Menschen sind geflohen. Ein halbes Dutzend Ratten hatte sich auf sie gestürzt. Unheimlich, kann ich Ihnen sagen.«
    »Denkst du noch an den Rattenkönig?« fragte Suko leise.
    Und ob ich mich daran erinnerte. Der Fall hatte uns damals an die Küste geführt und war zu einer verdammt widerlichen Sache geworden, denn da hatten die Ratten Urlauber überfallen. Zu Hunderten waren sie in die Hotels und Pensionen eingedrungen, und angeführt wurde sie von einer menschengroßen Ratte, eben dem Rattenkönig. [2]
    »Der existiert ja wohl nicht mehr«, erwiderte ich.
    »Wer?« fragte Rafferty.
    »Ach nichts.« Ich schaute ihn an. »Und was machen Sie mit den toten Ratten? Werfen Sie die einfach über die Mauer auf die Straße?«
    »Nein, nein, die schmeiße ich in ein Grab, aber diesmal ist es über mich gekommen. Ich habe die Nerven verloren.«
    Das war verständlich. »Wieviele dieser Biester haben Sie denn schon gefunden?« hakte ich nach.
    »Gezählt habe ich sie nicht. Dreißig werden es schon sein. Dahinten am Weg steht meine Karre. Ich lade die Ratten ein und fahre sie zu dem offenen Grab.«
    »Und Sie suchen ohne Konzept? Gehen einfach quer über den Friedhof?«
    »So ähnlich.«
    »Zeigen Sie uns das Grab!« verlangte Suko.
    »Wenn Sie wollen.« Er drehte sich um und stapfte los, während wir ihm folgten.
    Nach wenigen Schritten schon erreichten wir den ersten Weg. Er war schmal, aber jetzt im Hochsommer, wo alles voll aufgeblüht und wieder gediehen war, wirkte er noch schmaler, da die Zweige der Büsche über den Rand des Weges wuchsen und sich in der Mitte fast noch trafen. Wenn wir gingen, streiften die Blätter unsere Hosenbeine.
    Ich kannte den Brompton Cemetery einigermaßen und wußte, daß wir uns auf dem alten Gräberfeld befanden. Das neue lag entgegengesetzt. Es war auch noch nicht so dicht bewachsen, aber wenn am Nachmittag tatsächlich etwas bei der Beerdigung passiert war, dann hatten die Ratten auch von dem neuen Teil Besitz ergriffen.
    Der Kammerjäger hatte seine Augen überall. Er ging leicht geduckt. Den Spaten hielt er so, daß er sofort zuschlagen konnte, wenn ein Biest erschien. Auch bewegte er seinen Kopf, schaute mal nach links, danach schnell wieder nach rechts.
    Wenn die Sache nicht so ernst gewesen wäre, hätten wir über ihn lachen können, so aber hielten wir uns zurück, denn Ratten sind nun mal keine spaßige Angelegenheit.
    Wir sahen die ersten Gräberfelder. Gespenstisch wirkten sie in der fahlen Dunkelheit. Die Steine kamen mir vor wie Mahnmale der Toten an die noch Lebendigen.
    Manchmal

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