023 - Der grüne Bogenschütze
Featherstone holte ihn heraus und rief seinem Assistenten zu:
»Jackson, was halten Sie davon?«
Es war ein etwa vierzig Zentimeter langer dicker Stock, an dessen einem Ende lange Peitschenschnüre befestigt waren, neun dunkelfleckige Stricke im ganzen.
Der Sergeant nahm die Peitsche in die Hand.
»Das ist eine neunschwänzige Katze, Sir.« Er betrachtete das Stockende und las den verblaßten roten Stempelaufdruck. »›Eigentum der Gefängnisverwaltung‹ steht hier.«
»Zweifellos ein Geschenk Creagers«, meinte Jim. »Ein makabres Andenken - aber typisch für Bellamy!«
Er begann sämtliche Schriftstücke durchzusehen, fand aber nichts, was ihn auf die Spur der verschwundenen Mrs. Held gebracht hätte. Die einzigen Privatbriefe, die ihm in die Hände kamen, waren alle mit ›Michael‹ unterschrieben. Drei trugen den Poststempel Chicago, aber die meisten stammten aus New York. Es ging daraus hervor, daß der Absender Lehrer und Bellamys Bruder war. Die ersten Briefe klangen freundlich, Michael hatte anscheinend Glück gehabt, ein Vermögen erworben, in Cleveland ein Grundstück gekauft und sich nebenbei dem Maklergeschäft zugewandt. Doch dann änderte sich der Ton der Briefe gründlich. Michael Bellamy war in Schwierigkeiten geraten und hoffte, daß sein Bruder ihm helfen würde. Zu spät entdeckte er, daß hinter der Organisation, mit der er sich in Geschäfte eingelassen und die ihn ruiniert hatte, Abel stand.
Nach drei Stunden - jeder Winkel der Burg war inzwischen durchstöbert worden - mußte Jim die Nutzlosigkeit seiner Bemühungen einsehen.
Bellamy triumphierte, als er in die Bibliothek zurückgerufen wurde.
»Nun, haben Sie Ihre Dame gefunden? Diese Mrs. - wie war doch gleich ihr Name?«
»Geduld, Mr. Bellamy! Vielleicht trügen meine Pläne. Möglich, daß es noch andere geheime Räumlichkeiten unter der Erde gibt. Was zum Beispiel liegt hier unter der Bibliothek?«
»Da unten gibt's überhaupt nichts, die Verliese fangen erst unter der Halle an.«
Jim breitete den alten Grundriß der Burg aus und überlegte. Dem Plan nach stand die Bibliothek tatsächlich auf festem Boden. Doch hatte dies nicht viel zu bedeuten, schon mehrmals war er auf Abweichungen gestoßen. Früher wurden solche Pläne oft nur nach allgemeinen Angaben gezeichnet, ohne daß die Räume nachgemessen worden wären.
»Hier haben Sie Ihre Schlüssel zurück, Mr. Bellamy! Für heute jedenfalls ...«
»Sie haben zuviel Detektivgeschichten gelesen, Mr. Featherstone!« höhnte Bellamy. »Vielleicht verschwinden Sie jetzt - von meinen Anwälten werden Sie dann das Weitere hören!«
30.
Valerie Howett stand am Fenster ihres Zimmers, als sie Jim den Gartenweg entlangkommen sah. Sie lief zur Haustür.
»Valerie, ich bin stellungslos!«
»Haben Sie wenigstens etwas herausgefunden?«
»Leider nicht, obwohl wir alles gründlich durchstöbert haben. Scotland Yard hatte mir einen Haussuchungsbefehl geschickt. Es tut mir leid, daß ich den grünen Bogenschützen nun aus etwas weiterer Entfernung beobachten muß.«
»Haben Sie ihn eigentlich noch nie gesehen?« fragte sie.
»Nein. Aber bestimmt war er in jener Nacht im Schloß, als Sie in den Park von Garre Castle kamen.«
Er sagte das mit einer solchen Ruhe, daß Valerie an ihren Vermutungen wieder zu zweifeln begann.
»Jim, ich möchte Sie etwas fragen. Haben Sie sich nicht, aus einem bestimmten Grund natürlich, als grüner Bogenschütze verkleidet? Einmal haben Sie es bestimmt getan!«
Völlig verblüfft sah er sie an.
»Nicht einmal im Traum habe ich je daran gedacht!«
»Und wie war das damals, als Sie mich hierherbrachten?«
Er zog die Stirn in Falten.
»Keine Ahnung, was Sie meinen. Ich spionierte gerade ein wenig im Park, als Bellamy seine Hunde auf Sie hetzte. Wenn Sie es wissen wollen - ich maß die Bodentemperatur rings um die Burg. Scherz beiseite - das war eine durchaus ernsthafte Beschäftigung. Als die Hunde Sie verfolgten, rannte ich hinterher, um Ihnen beistehen zu können.«
»Dann waren es also Ihre Schritte, die ich hörte?«
»Ich verlor Sie einen Moment aus den Augen, und als ich wieder freie Sicht hatte, fand ich Sie dicht neben dem toten Hund auf dem Rasen liegen. Vom grünen Bogenschützen nicht die geringste Spur! Allerdings war der Hund von einem Pfeil getötet worden. Mir blieb nichts weiter übrig, als Sie aufzuheben und schleunigst zur Mauer von Lady's Manor zu tragen. Wie vermutet, stieß ich dort auf die Leitern. Aber es war gar nicht
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