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023 - Reise ohne Wiederkehr

023 - Reise ohne Wiederkehr

Titel: 023 - Reise ohne Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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geworden, und ich glaube sogar, Ihr habt die alte Sprache verstanden, in der ich mein Lied gesungen habe. - Möchtet Ihr, dass ich Euch zum Dank noch eins spiele?«
    Er nahm flugs die Laute von der Schulter und schlug ein paar Akkorde der unsäglichen Schmonzette »Schwarzbraun ist die Haselnuss« an, die Matts inzwischen beruhigte Magen- nerven sofort wieder zucken ließen. Unter den Büchern aus dem Besitz seiner Familie schien sich auch ein Foliant mit altem deutschen Liedgut zu befinden.
    »O nein, das ist wirklich nicht nötig. Ich danke Euch«, sagte er schnell und zog Cosimus beiseite. »Gehen wir lieber ans Heck, wo wir allein sind und die Banausen uns nicht stören. Dort können wir die Aussicht bewundem und ein philosophisches Gespräch führen.«
    »Aber gern!«, sagte Cosimus erfreut. Scheiße, dachte Matt, warum muss immer mir so was passieren?
    »Ihr seid doch der Held, der uns alle vor einem bösen Schicksal bewahrt hat, nicht wahr?« Cosimus' wasserblaue Augen blitzten freudig auf, als er Matt an der Reling entlang nach hinten folgte. Kurz darauf hielt er einen Monolog über Wudan und die Erdscheibe, die in Wahrheit eine Kugel sei. Matt entspannte sich und hörte ihm mit einem halben Ohr zu.
    Der Himmel war so blau und tief, dass es fast wehtat, ihn anzuschauen.
    ***
    Matthew Drax hätte zufrieden sein können. Aber er war es nicht. Ihn verfolgten Gesichter: Er sah den kleinen Gnom Sepp Nüssli, [2] der sich den sabbernden Steppenguulen trotzig in den Weg stellte; den geheimnisvollen Albino Rulfan, der nicht unmaßgeblich daran beteiligt gewesen war, dass er die Insel Britana und Landän erreicht hatte; den Haudegen Pieroo, den er damals in Leipzig und später auf dem Sklavenmarkt in Plymeth wiedergesehen hatte; die blasse und völlig haarlose Eve Carlyle aus der Community London.
    Dazu gesellte sich ein Reigen absonderlicher Gestalten, die ihm begegnet waren, seit es ihn auf wunderbare Weise in die Zukunft verschlagen hatte. All diese Gesichter hoben sich aus dem Dunkel und versanken wieder darin. Und alle wurden vom schmalen Antlitz Aruulas und ihrer blauschwarzen Haarmähne verdrängt, das einfach nicht verblassen wollte. Würde er sie je wiedersehen? Wenn Matt an sie dachte, empfand er einen Schmerz in seiner Brust, der nicht von ihm gehen wollte.
    Was war wohl aus ihr geworden? Lebte sie noch? Wenn ja, wo? Im Harem eines reichen Kaufmanns oder Fürsten? Musste sie jemandem zu willen sein? Matt schüttelte sich. Aruula war nun ganz auf sich allein gestellt.
    Als sie sich ihm damals am Südrand der Alpen anschloss, hatte sie ihren Stamm und ihr altes Leben aufgegeben allein für ihn…
    Und nun saß er auf diesem schäbigen Schiff fest, dessen Mannschaft mehrheitlich aus Galgenvögeln bestand, und fuhr über den Atlantischen Ozean seiner alten Heimat entgegen, von der er nicht einmal wusste, ob es sie überhaupt noch gab.
    Als die Sonne sank und ein Matrose erschien, um Cosimus zum Kapitaan zu rufen, zog es Matt in die Kombüse, wo er sich an der Schulter seines Freundes Kuki ausweinte.
    ***
    »Ach ja«, sagte der Koch tröstend, wie es bei den Philosophen üblich ist, und schwenkte eine Pfanne, in der heißes Taratzenfett knisterte.
    »Auch ich hatte einst ein Mädel… Es hieß Ulrica und stammte aus Fraace. Sie war süß und hatte große braune Augen. Ich traf sie in einer Schänke in Caalaj.« Er schaute Matt an. »Warst du schon mal in Fraace?«
    »Yeah.« Matt nickte. »In Parii.« Er schüttelte sich. Dort hatte Hank Williams, sein Kamerad aus alten Zeiten, sein Leben verloren.
    »O lala«, sagte Kuki. »O lala?«, fragte Matt.
    »Wieso o lala?«
    »Weiß ich auch nicht«, sagte Kuki. »Dort wo ich herkomme, sagen alle ›o lala‹, wenn jemand von Parii spricht.« Schau an, dachte Matt.
    Noch nach fünf Jahrhunderten klopfen sie diesen Spruch, ohne zu wissen, was er bedeutet.
    »Wo kommst du her, Kuki?«, erkundigte er sich. »Aus Eyland.«
    »Aus Eyland?«
    »Ja, die grüne Insel westlich von Britana. Die Britanier erkennen ihre Selbstständigkeit nicht an und behaupten, sie gehöre zu Britania, aber so ist es nicht.« Kuki unterbrach und räusperte sich. Das Thema schien ihn zu erregen. »Wo war ich?«
    »Bei Ulrica.«
    »Ach ja.« Kuki runzelte die Stirn. »Damals gehörte ich zu den Schergen der Schwarzen Natter. Wir haben in Calaaj angelegt, sind von Bord gesprungen und haben die erste Schänke ausgeraubt, die wir sahen.« Er schnalzte mit der Zunge. »Wir haben fette Beute gemacht.

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