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023 - Reise ohne Wiederkehr

023 - Reise ohne Wiederkehr

Titel: 023 - Reise ohne Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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ums Verrecken nicht hell werden. Irgendwann fand Matt die Münzen, die Colomb ihm gegeben hatte. Er zeigte sie Kuki und erkundigte sich nach ihrem Wert.
    »Bockmünzen!«, krakeelte Kuki begeistert und klopfte ihm auf die Schulter. »Und gleich drei Stück! Du Glückspilz! Wo hast du sie her?«
    Matt erzählte es ihm.
    Kuki zog bewundernd die Brauen hoch.
    »Dann hast du beim Kapitaan einen Stein im Brett«, sagte er grinsend.
    »Würde mich nicht wundern, wenn er dich demnächst befördert. Möglicherweise wirst du gar Erster Schiffsjunge!«
    Er schüttelte sich vor Lachen.
    Seinen ersten freien Tag nutzte Matt zum ausgiebigen Faulenzen und Nachdenken. Dann stromerte er durch das Schiff, um sich auch mit jenen Winkeln vertraut zu machen, in die ihn seine Tätigkeit bisher noch nicht geführt hatte. Dabei hatte er Gelegenheit, da und dort den Matrosen Clegg zu beobachten.
    Er bemühte sich herauszufinden, mit wem der Verräter besonders oft Umgang pflegte.
    Clegg war jedoch nie mit einem Mann allein, sodass Matt nicht erkennen konnte, mit welchem Besatzungsmitglied er verschwörerisch verbunden war.
    Die meisten Matrosen, die Matt zuvor wegen seines seemännischen Unvermögens verhöhnt hatten, begegneten ihm nun mit Respekt. Manch einer erkundigte sich sogar nach seinem richtigen Namen.
    Am frühen Abend flaute der Sturm schließlich ab; das Tschugg-Tschugg der Maschine wurde lauter und die Santanna schwang herum, um wieder Kurs nach Westen zu nehmen.
    Am nächsten Morgen brach schüchternes Sonnenlicht durch die zerrissenen Wolken. Als Matt an Deck trat und sich umschaute, fiel sein Blick auf die weithin wogenden und schaumigen Wasser der Alanta-See. Er empfand nicht das geringste Gefühl von Übelkeit mehr.
    Die Santanna lag steif wie ein Brett auf dem Wasser und lief vor einer milden Brise dahin. An der Steuerbordseite sprangen große grüne Fische mit meterlangen Flossen aus dem Wasser, ließen bellende Laute erklingen und tauchten wieder in die Fluten ein. Drei Matrosen standen an der Backbordreling und warfen unter Kukis Anleitung an langen Angelruten hängende Köder in die See. Auf dem Vorschiff, wo ein halbes Dutzend Seeleute mit dem Flicken der vom Sturm beschädigten Segel beschäftigt waren, schlug ein lang aufgeschossener Bursche mit wehendem blonden Haar eine Laute an und schmetterte ein Lied, von dem Matt nicht geglaubt hatte, dass es überhaupt noch existierte noch dazu in makellosem Deutsch!
    »Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord, in den Fässern faulte das Wasser, und täglich ging einer über Bord…«
    ***
    Der Lautenspieler war etwa fünfundzwanzig Jahre alt und wirkte nicht wie ein Seemann. Die hellen, viel zu großen Kleider, die seine hagere Gestalt umschlotterten, passten eher in einen höfischen Salon des 15. Jahrhunderts als auf dieses Schiff.
    Es war Cosimus, der Neffe von Colombs Goldgeber. Er behauptete von sich, ein Gelehrter zu sein, und half Kapitaan Colomb bei seinen Kurs- berechnungen.
    »Für einen Gelehrten wirkt er recht aufgeweckt«, sagte Matt und dachte an die drögen Naturwissenschaftler, die er im Lauf seines Lebens kennen gelernt hatte. Andererseits wusste er natürlich nicht, wie sich die Gelehrten dieser Zeit aufführten beziehungsweise welche Leistungen sie zeigen mussten, um als Gelehrte zu gelten.
    In Italien hatte man vor fünfhundert Jahren mehr oder weniger jeden mit »Doctore« angesprochen, der auch nur das Abitur geschafft hatte.
    »Er ist halt ein sehr ungewöhnlicher Gelehrter«, sagte Kuki hinter vorgehaltener Hand. »Es heißt, er nähme nur deswegen an unserer Expedition teil, weil er seinen Onkel mit seinen Reden auf die Nerven geht. Colomb hat ihn wohl nur mitgenommen, um den Onkel nicht zu vergrätzen. Er ist nämlich ein wohlhabender Kaufmann, der regelmäßig Karawanen nach Tuurk schickt, und hat unsere Reise finanziert.«
    Cosimus beendete sein Lied, doch nur Matt applaudierte. Der junge Mann musterte kurz sein Publikum. Dann murmelte er »Banausen«, warf die Laute wie eine Flinte über seine magere rechte Schulter und gesellte sich zu dem einzigen Menschen an Bord, der seine Kunst zu schätzen wusste.
    »Mein Name ist Cosimus, werter Herr«, sagte er, während Kuki sich mit dem leeren Eimer davonmachte. »Ich freue mich aufrichtig, Eure Bekanntschaft zu machen.« Er reichte Matt die Hand - eine Geste, die in dieser Welt kaum noch jemand pflegte. »Menschen von Kultur erkenne ich auf den ersten Blick«, fuhr Cosimus fort, ohne

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