0230 - Im Land der Unheils
Zurückbleiben muß.«
»Aber der Ausgang…«
»Es gibt keinen«, schnitt ihm der Alte das Wort ab. »Der einzige Weg führt durch die Schatzkammer. Aber die Gefahren, die zwischen ihr und Ihnen liegen, sind zu groß. Die anderen haben es versucht und sind daran gescheitert. Ich floh, als ich begriff, mit welchen Mächten wir uns eingelassen hatten. Seitdem lebe ich hier. Betrachten Sie mich als eine Art Führer. Ich habe Ihren Kampf beobachtet. Sie sind gut. Sie können es weit schaffen, vielleicht weiter als je ein anderer.«
»Ich habe vor, es ganz zu schaffen«, grollte Zamorra. »Schon, um mit dem abzurechnen, der uns in diese Falle gelockt hat. Ich werde aus diesem Labyrinth herauskommen, und wenn ich dazu jeden einzelnen Stein abbauen muß.«
Wieder lächelte der Alte. »Sie haben es noch nicht begriffen, wie? Erinnern Sie sich an Ihr Versagen an der Tür? Sie haben versucht, sie mit Gewalt zu öffnen, und es hat Ihnen Ihre stärkste Waffe und Ihrem Freund das Augenlicht gekostet. Man muß sich an die Regeln halten, wenn man zum Ziel gelangen will.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf Zamorras ausgebeulte Tasche. »Ich sehe, Sie haben die Kristallkugel mitgenommen? Sehr umsichtig. Geben Sie darauf acht, sie wird Ihnen helfen.«
Zamorras Geduld war allmählich erschöpft. Mit einem wütenden Fluch rammte er seine Waffe in die Scheide und ergriff die magere Gestalt des Magiers. »Es reicht«, sagte er. »Ich will endlich wissen, was hier los ist. Wie kommen wir hier heraus?«
Der Alte machte sich mit sanfter Gewalt los.
»Ich verstehe Ihre Reaktion«, sagte er ruhig. »Aber es nutzt Ihnen nichts. Ich will Ihnen gar nicht ausreden, es zu versuchen; im Gegenteil. Ich werde Ihnen sogar helfen, die nächsten zwei Ebenen zu überwinden. Zu Anfang habe ich versucht, sie davon abzuhalten, aber ich habe schon vor langer Zeit eingesehen, daß es sinnlos ist. Sie rennen alle in den Tod.«
»Und wieso leben Sie dann noch?«
»Glück«, sagte der Alte achselzuckend. »Ich wählte die Rolle mit dem höchsten Überlebenspotential. Und zum Teil ist es wohl meiner Feigheit zu verdanken. Ich floh, während die anderen ihren letzten Kampf kämpften. Aber ich werde Ihnen helfen, wenn Sie darauf bestehen. Ich zeige Ihnen den sichersten Weg hinab.«
Zamorra antwortete nicht, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht schien das, was er bei den Worten des Alten dachte, deutlich widerzuspiegeln.
»Ich kann Ihnen nicht verdenken, wenn Sie mir mißtrauen«, sagte er. »Immerhin habe ich Sie von Anfang an beobachtet. Aber ich konnte Sie nicht warnen.«
»Warum nicht?« schnappte Nicole. »Bill hätte nicht…«
»Ich darf mich nicht einmischen«, fiel ihr der Alte mit überraschender Schärfe ins Wort. »Verstehen Sie -wenn ich Ihnen von Anfang an geholfen hätte, hätten Sie später erst recht keine Chance. Ihr Versagen am Tor und der Kampf mit der Wächterin war notwendig. Sie mußten lernen, sich nach den Regeln zu richten.«
»Regeln!« keuchte Bill. Es war das erste Wort, das er seit dem Auftauchen des Alten sprach, aber er hatte bisher konzentriert zugehört. »Hören Sie endlich auf mit Ihren verdammten Regeln!«
»Aber warum?« fragte der Magier sanft. »Was ist so außergewöhnlich an unserer Situation? Man muß sich überall nach gewissen Regeln richten, ganz egal, wo man ist. Auch das sogenannte normale Leben verläuft nach Regeln. Nur daß die, nach denen wir uns hier zu richten haben, einfacher sind. Du tötest oder wirst getötet.«
»Und deshalb leben Sie noch?«
»Natürlich. Ich halte mich nur in Ebenen auf, die ungefährlich für mich sind. Oh, zu Anfang habe ich lernen müssen, schmerzhaft. Ich habe gekämpft, so wie Sie gerade, und härter. Jetzt bin ich in Sicherheit, solange ich nicht zu tief hinabgehe.«
»Und Sie wissen nicht, was unten ist?«
»In der Schatzkammer?« Der Magier schauderte sichtlich. Er schloß die Augen, ballte die Fäuste und atmete plötzlich schneller. Zamorra spürte, wie schwer es ihm fiel, sich zu erinnern. »Ich war… einmal dort«, flüsterte er. »Einen Blick habe ich hineingeworfen; einen einzigen Blick. Es war… grauenhaft.«
»Gibt es dort einen Ausgang?« wollte Bill wissen.
Der Alte nickte. Die Bewegung schien ihm unendliche Mühe zu bereiten. »Ja«, wisperte er. »Aber er wird… bewacht. Niemand kann… ihn erreichen.«
»Sie meinen, niemand hat ihn bisher erreicht«, korrigierte ihn Zamorra sanft. »Aber das bedeutet doch nicht, daß es nicht getan werden
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