0234 - Macht und Mythos
ihrem Arm behielt, da öffnete er für einen Moment die Augen, lächelte und sagte leise: »Mummy!«
Dieses eine Wort schnitt Sheila durchs Herz. Sie stand da wie unter einem Krampf. Ihr Körper bebte, und ihr Blick saugte sich an der goldenen Klinge fest.
Das Schweigen stand wie eine Mauer zwischen den beiden so ungleichen Frauen.
»Dreh ihn!« befahl die Hexe.
»Wie?«
»Du sollst deinen Sohn umdrehen, verdammt. Aber so, dass sein Kopf frei liegt.«
»Neiiin!« Es war ein wilder, alles zerreißender Schrei, der aus Sheilas Kehle drang. »Nein, nein, nein!« Und plötzlich machte sie auf dem Absatz kehrt, um aus dem Zimmer zu rennen.
»Bleib hier!« Die Stimme der Hexe überschlug sich. Blitzschnell hatte sie das Schwert oben, um die Klinge in Sheilas deckungslosen Rücken zu stoßen…
***
Ich befand mich inmitten der mir bekannten Drachenhöhle und damit im Land, das nicht sein darf.
Und Nepreno wartete. Im Hintergrund der Höhle lauerte dieses Gebirge von Untier. Der König der Drachen hatte gewusst, dass ich zurückkehren würde, und er wollte sich schrecklich rächen, wo ich mich nicht mehr unter dem Schutz der seltsamen Pyramide befand.
Ich ging ein wenig zur Seite und gelangte in die Nähe des Altars, wo ich das Buch der Sieben Siegel ablegte, da es mir doch sehr hinderlich war.
Ich dachte an meine Waffen. Die Beretta konnte ich vergessen. Ich wollte mich nur auf das Kreuz konzentrieren. Vielleicht konnte ich es zum ersten Mal aktivieren.
Noch griff Nepreno nicht an, aber es würde nicht mehr lange dauern, denn er bewegte bereits seinen massigen Schuppenkörper. Dabei schabte er über den Boden, wandte mir das Maul zu, und ich sah die gelbweiß schimmernden, großen Knochen zwischen seinem mörderischen Gebiss. Es waren keine Menschenknochen, die er da festhielt, sondern die Überreste eines Monstrums, wahrscheinlich eines Drachens, den er in der letzten Zeit, als ich mich auf meiner seltsamen Reise befand, erlegt hatte.
Eine Zunge konnte ich nicht erkennen. Sie war von der Pyramide zerstört worden, während ich hoffte, dass mein von mir aktiviertes Kreuz Nepreno, das Flugtier des Schwarzen Tods, vernichten konnte.
Nach rechts bewegte ich mich. So konnte ich Nepreno besser sehen, und er sah auch mich. Wir schauten uns direkt an.
Dann spie er mir die Knochen entgegen. Er schleuderte sie einfach aus seinem Maul. Ich musste sogar den Kopf einziehen, sonst wäre ich noch getroffen worden.
Die Knochen wischten an mir vorbei, und gleichzeitig mit ihnen setzte sich auch der Drache in Bewegung.
Nichts hielt ihn mehr auf. Sein gewaltiger Schwanz zuckte. Wie eine Welle kam er an seinem Rücken hoch, schlug durch die Luft und krachte so hart zu Boden, dass das Gestein durch den Aufprall erschüttert wurde.
Wenn es dem Drachen gelang, mich mit diesem Schwanz zu erwischen, war ich geliefert.
Angst hatte ich schon. Ich bin ehrlich genug, dies zuzugeben. Viel war geschehen. Ich hatte erfahren, was es mit meinem Kreuz auf sich hatte, kannte seine Geheimnisse und hoffte, dass mich der alte Mann nicht in die Irre geführt hatte.
So einen Drachen wie Nepreno hatte ich noch nie gesehen. Er erinnerte mich in seiner Größe an einen Saurier, die ich ja ebenfalls schon kennen gelernt hatte.
Wie weit durfte ich ihn kommen lassen? Bis er fünf Schritte von mir entfernt war? Und war es ihm vielleicht möglich, seinen Schwanz so zu schleudern, dass er über den Körper geriet, auch noch den Kopf überflog und mich dann traf?
Überlegungen, die ich zwangsläufig anstellte, und ich bemerkte auch, dass sich mein Kreuz erwärmt hatte.
Jetzt wollte ich es wagen. Noch einmal holte ich Luft. Und dann sprach ich die Worte, die ich mir so sehr eingeprägt hatte.
»Terra pestem teneto - Salus hic maneto!«
Sie drangen laut und deutlich aus meinem Mund. Der Drache sollte sie verstehen und vielleicht auch meine unsichtbaren Helfer, die als Geistwesen durch die Unendlichkeit glitten und mich in meinem Kampf gegen das Böse überwachten.
Zuerst geschah nichts.
Für die Länge eines Atemzugs hatte ich ein schreckliches Gefühl. So unendlich leer, einsam und verlassen kam ich mir vor, denn ich glaubte auf einmal, dass diese Formel falsch gewesen war.
Bis ich das Glühen sah. Es war ein dunkelrotes Leuchten, und es drang tief im Innern des Kreuzes auf. Dabei hatte ich Angst, dass sich das Kreuz stark erhitzen würde und ich es loslassen musste, um mir die Hände nicht zu verbrennen.
Ich irrte mich. Die Glut war kalt. Und
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