0239 - Das Erbe des Zauberers
umklammerte den Gewehrkolben fester.
Er war bereit.
***
Sie befand sich im gestaltlosen Nichts. Gedanken und Gefühle hatten ausgesetzt. Das Sein war aufgegeben worden. Ihr Geist trieb zwischen Jetzt und Irgendwo umher.
Und Christiana wußte, daß sie hier geborgen war. In ihr schlummerte die Ahnung, daß ihr Fürchterliches bevorstand, wenn sie den Weg zurück ging. Etwas, vor dem sie sich entsetzlich fürchtete.
»Wach auf, mein Täubchen!«
Weit - von weit her kam diese Stimme. Aber sie war da, ließ sich nicht ignorieren.
»Wach auf, mein Hübsches! Erwache, mein Augapfel!«
Die Stimme rief sie zurück. Nein, sie konnte nicht bleiben. Sie mußte dahin zurück, wo man ihr ein ungewisses Schicksal bereiten wollte. Alles in Christiana sträubte sich dagegen, zu erwachen. Aber ihre Sinne waren schon wieder bereit. Sie spürte die Nähe von Menschen, die sie umgaben.
Langsam, ganz langsam, öffnete sie die Augen. Sie blickte in das abstoßende Gesicht der Negerin Dolores, das im unwirklichen Schein der Fackel, die das Innere der Hütte schummerig erleuchtete, noch häßlicher wirkte.
»Die Götter des Voodoo dürsten nach ihrem Opfer!« zische sie wie eine Natter. »Sieh dich an, mein Täubchen. Hat dich Dolores nicht festlich zum Tage deines Todes aufgeputzt?«
Mühsam hob das Mädchen den Kopf. Und dann schüttelte sich alles in ihr vor Grauen. Ihr nackter Körper war über und über mit unheiligen Zeichen und Symbolen bemalt. Christiana hatte nie auch nur eine Art Symbole gesehen, die denen glichen, die in leuchtender roter und schwarzer Farbe ihren Körper bedeckten. Aber in ihnen schien das Böse zu wohnen, denn alleine dieser Anblick trieb das Mädchen fast zum Wahnsinn. Sie mußte sich stark beherrschen, um nicht ihre Angst hinauszuschreien.
Dolores wackelte zufrieden mit dem Kopfe. Dann gab ihre rechte Hand den hinter ihr stehenden, gutgebauten Negern ein Zeichen. Die Arme und Beine des Mädchens wurden von dem Tisch losgeschnitten. Aber bevor sie auch den Versuch machen konnte, zu entfliehen, hatten kräftige Hände zugefaßt. Hoch über ihre Köpfe hielten die herkulisch gebauten Farbigen den sich drehenden Mädchenkörper. Dann schritten sie feierlich nach draußen.
Als Christiana den um sie herum tobenden Hexenkessel sah, war es mit ihrer Selbstverleugnung und Beherrschung zu Ende. Deutlich hatte ihr Dolores das Schicksal gesagt, was ihr bevorstand. Als das Mädchen die hysterisch umtobende Meute sah, - Menschen, die in weitabgewandter Trance unter den absurdesten Verrenkungen zu den monotonen Liedern der Trommeln abartige Versionen eines Tanzes aufführten -da wußte sie, daß sie verloren war.
Von diesem Mob hatte sie weder Gnade noch Schonung zu erwarten. Und nicht von denen, die diesen Zauber lenkten.
Christiana schrie ihre Angst heraus. Ihr schlanker Körper zuckte hin und her. Sie versuchte vergeblich, sich den Händen ihrer Peiniger zu entwinden.
Es war, als wäre sie in vier Schraubstöcke eingeklemmt.
Und immer näher kam das Steinpodest, das unschwer als der Altar zu erkennen war. Das unheimliche Licht des Feuers ließ Tierschädel und roh gehauene, fratzenhafte Schädelskulpturen daran erkennen. Und hinter dem Altar ein kleiner, dunkelhäutiger Mann in Weiß, in dessen rechter Hand es verdächtig glitzerte.
Der Oberpriester - und in seiner Hand die Klinge, mit der er Christiana vom Leben in den Tod befördern wollte…
***
Alle Sehnen an Zamorras Körper waren gespannt. Er glich einem Leoparden, der sich zum Sprung kauert. Beide Hände waren in ein Büschel Lianen verkrallt, die Machete hatte er mit der scharfen Seite nach außen zwischen die Zähne geschoben.
Er sah, wie Christiana zum Altar geschleift wurde. Und er spürte förmlich ihre Angst. Aber er wußte auch, daß er noch nicht eingreifen konnte.
Jetzt noch nicht. Denn eine Chance hatte er erst, wenn der Körper des Mädchens auf dem Altar lag und der Mob in resprektvoller Entfernung der unheiligen Handlung beiwohnte. Hier, im Strudel der Menschenleiber, würde Zamorra von der fanatischen Gemeinde bei lebendigem Leibe zerissen, wenn er versuchen würde, Christiana jetzt zu befreien.
Zamorras Augen verengten sich zu schmalen Spalten, als er sah, daß der zuckende Körper des Mädchens auf dem Altar niedergelegt und festgebunden wurde.
Die Raserei erreichte ihren Höhepunkt.
Gleich mußte es geschehen…
***
Uber Ollam-ongas Gesicht glitt teuflische Befriedigung. Er war am Ziel seiner Wünsche. Denn das, wofür
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