024 - Beim Volk der 13 Inseln
ein wenig verzerrt. Wie die Bilder selbst wurde auch sie aus der Community London übertragen. Sie gehörte einem glatzköpfigen untersetzten Mann in heller fleckiger Tunika - Sokrates, der E-Butler Jefferson Winters, des Beraters der Queen. Sokrates war auf einem zweiten, größeren Monitor in der Kuppelwand des Konferenzsaales zu sehen.
»Ziemlich beschissenes Wetter, um am Strand zu meditieren«, sagte er.
Gabriel, der Prime der Community Salisbury und sein Octaviat sahen die steilen Klippen der Südküste Britanas, wie England von den Oberirdischen genannt wurde. Aus der Vogelperspektive, wie schon die Bilder zuvor. Regen peitschte in das aufgewühlte Meer.
Manchmal erschienen die schwarzen Flügelspitzen des Spähers am Rand des Monitors. Bald füllte die Steilklippe vor dem Kiesstrand das Bild aus. Ihre Spalten, ihr schroffes Profil, ihre Vorsprünge wurden deutlicher. Der Kolk schien einen ganz bestimmten Punkt anzusteuern.
»Dort unten, am Fuß der Klippe, seht ihr sie?«
Sokrates schüttelte sich.
»Wie ein streunender Lupa. Man sollte ihr wenigstens ein paar warme Sachen zukommen lassen, wenn ihr mich fragt…«
Unter einem Felsvorsprung entdeckte Gabriel die Barbarin. Zusammengekauert hatte sie dort Schutz vor Sturm und Regen gesucht. Die Frau tat ihm Leid.
»Niemand fragt dich«, schnarrte eine tiefe Frauenstimme, auch sie blechern und leicht verzerrt. Die CF-Strahlung aus dem Londoner Krater beeinträchtigte die Verbindung zwischen den beiden Communities erheblich. »Gibt es neue Informationen über die Wilde?«, wollte die Frau mit der tiefen ruppigen Stimme wissen - Josephine Warrington, die Prime der Community London.
»Ja.« Der E-Butler verschränkte die Arme hinter dem Rücken und machte eine beleidigte Miene. Demonstrativ blickte er schräg nach oben.
»Was heißt hier« ja »?«, blaffte die Londoner Prime. »Ich höre!«
»Gegen Abend hat sie die Küste verlassen und ist Richtung Plymouth in den Wald marschiert.« Sokrates bohrte Daumen und Zeigefinger in das rechte seiner großen Nasenlöcher. »War's das endlich? Hab eigentlich Wichtigeres zu tun als euch hier mit Filmchen zu unterhalten…« Konzentriert betrachtete er seinen Fund zwischen den Fingerkuppen.
»Sokrates!« Die scharfe Stimme Jefferson Winters hallte durch den Kuppelsaal. »Es reicht jetzt!« Sokrates schnippte den Popel in die Luft und verfolgte interessiert dessen Flugbahn. »Du stehst uns zur Verfügung, so lange du gebraucht wirst!«
Gabriel grinste und sah sich unter seinen eigenen Octaviatsmitgliedern um. Überall amüsierte Gesichter. Man hatte sich hier in Salisbury an die skurrilen Geschöpfe der Londoner Informatiker gewöhnt. Ihr Unterhaltungswert war nicht zu verachten. Ihre überragenden intellektuellen Leistungen auch nicht. Trotzdem fragte Gabriel sich, warum Jefferson Winter seinen arroganten E-Butler nicht längst gelöscht und durch einen kooperativeren ersetzt hatte. Immerhin war er königlicher Berater und Octavian für Kultur und Unterhaltung. Und ein anerkannter Dichter dazu. Ein Mann also, der sich eine derart peinliche Erscheinung wie Sokrates eigentlich nicht leisten konnte. Jedenfalls nach Gabriels persönlicher Meinung nicht.
Die Außenaufnahmen der Späher verblassten. Stattdessen wurde der Londoner Kuppelsaal auf dem Monitor sichtbar - neun Männer und Frauen saßen um einen runden blauen Glastisch in blauen Glasssesseln. Das Octaviat der Community London und Queen Victoria II. Die Strandidylle einer Südseeinsel umgab den Konferenztisch.
»Sie wird doch nicht freiwillig in die Stadt zurückgehen?« Josephine Warrington runzelte die Stirn. Wie meistens während der Octaviats-Sitzungen trug sie schwarzes Langhaar und einen weißen Mantel. Ein unwilliger Zug lag um ihre dunklen Augen. Das Thema war ihr sichtlich unangenehm.
»Natürlich wird sie in die Stadt zurückgehen, Lady Warrington«, sagte Gabriel. »Ich schätze die Barbarin so ein, dass sie nicht ruhen wird, bis sie herausfindet, wohin man Commander Drax verschleppt hat.«
»Das ist ihre Sache«, meldete sich ein asiatisch aussehender Mann mit blauer Perücke zu Wort. »Einzig und allein ihre Verantwortung!« General Charles Draken Yoshiro, der Militär-Octavian und leitende Kommandant der Londoner Community-Force stach mit ausgestrecktem Zeigefinger gegen die Tischplatte. »Wenn sie erneut in die Hände dieser Sklavenhändler fällt, können wir nichts für sie tun!«
»Sie entschuldigen, wenn ich anderer Ansicht bin,
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