0241 - Der Dämonen-Schneider
hörte in den letzten hundert Jahren so viel von Autodiebstählen überall auf der Welt…
Nicole reckte sich im strahlenden kalifornischen Sonnenschein, rückte den Cowboyhut leicht zurecht und setzte sich in Bewegung. Der dunkelhäutige, breitschultrige Polizist, der vorhin sein Interesse dem weißen Cadillac widmete, zeigte sich jetzt an Nicole selbst nicht weniger interessiert und nickte ihr freundlich zu.
Nicole grüßte zurück und setzte ihren Weg fort. - Ein paar Menschen kamen ihr entgegen oder überholten sie, doch es hielt sich in Grenzen. Hier war nicht sonderlich viel los. Das große Gewühl ging erst ein Stück weiter stadteinwärts los.
Aber da konnte man mit dem Einkaufsbummel ja anschließend weitermachen.
Nach einer Weile erreichte Nicole den kleinen Laden. Der Weg war doch weiter, als es vom Auto her aussah. Aber nun war sie da.
Rechts und links der kleinen Tür gab es Schaufenster. Sie waren phantasievoll dekoriert, mit künstlichen Pflanzen, Postern und Tierpräparaten. Dazwischen, dem jeweiligen Landschaftsteil angepaßt, standen die Puppen in Kleidern und Anzügen.
Sie sahen verblüffend lebensecht aus. Nicole vertiefte sich in den Anblick. Sechs Puppen waren es, in jedem Fenster drei. Der sie geformt hatte, mußte ein genialer Künstler sein. Die Puppen befanden sich in erstarrter Bewegung. Es sah fast so aus, als lebten sie, als wären sie mitten in der Bewegung eingefroren.
Als hätte jemand die Zeit angehalten.
Die Kleidung, die sie trugen, war wunderschön. Der Schneider mußte nicht minder genial sein als der Puppenmacher. Nicole war sicher, daß sie hier fündig wurde.
Entschlossen trat sie durch die Glastür. Ein Glöckchen bimmelte.
Der Laden war von anheimelndem, romantischen Licht erfüllt. Nicole konnte allerdings keine Lampen erkennen. Sie lagen gut versteckt hinter Halbvorhängen und Regalen. Ein breiter Ladentisch prangte in der Mitte des Raumes, geziert von einer vorsintflutlichen Registrierkasse mit Handkurbel. Auch hier standen Blumen. An den Wänden wechselten sich Regale mit Kleiderständern ab. Die ausliegenden Stücke waren nicht zahlreich, waren aber sehr erlesen. Zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, standen am Fenster. Nicole wollte sie schon ansprechen, als sie erkannte, daß es sich ebenfalls um Puppen handelte. Leise pfiff sie durch die Zähne und sah sich weiter um.
Hinter dem Ladentisch führte eine halb offene Tür in den hinteren Teil des Ladens. Wahrscheinlich wirkte dort der Meister selbst mit Nadel und Zwirn. Nicole rief leise: »Hallo?«
»Ich komme ja schon«, krächzte jemand aus dem angrenzenden Raum. Asthmatisches Keuchen ertönte, und dann erschien ein altes, verhutzeltes Männchen mit Kahlkopf und Hornbrille. »Ein alter Mann ist kein Eilzug. Entschuldigen Sie, Miß. Womit kann ich Ihnen dienen?«
Er sah Nicole prüfend an und lächelte. Ein seltsames Glitzern trat in seine Augen.
»Ah, warten Sie. Sagen Sie nichts«, rief er. »Ich zeige Ihnen etwas. Gerade vor ein paar Minuten fertig geworden. Es wird Ihnen gefallen. Ein Einzelstück. Warten Sie.« Er wieselte wieder zurück in die Schneiderei. Nicole hörte ihn brabbeln und kramen, und dann tauchte er wieder auf. Er breitete ein Kleid auf dem Ladentisch aus.
»Gefällt es Ihnen?« fragte er.
Nicole traten fast die Augen aus dem Kopf. Sie war sprachlos.
Natürlich gefiel es ihr!
Es war ein Meisterwerk und stellte alles in den Schatten, was sie bisher jemals gesehen hatte. Unfaßbar einfach und doch raffiniert geschnitten, aus einem fließendweichen, einschmeichelnden Stoff. Vorsichtig streckte Nicole die Hand aus und strich leicht darüber. Der Stoff war warm, schien zu leben und sich ihr entgegenzustrecken. Sie kannte das Material nicht, hatte niemals etwas Ähnliches berührt.
»Was ist das?« fragte sie.
Das Glitzern in den Augen des Hutzelmännchens verstärkte sich. »Das ist mein Geheimnis«, krächzte der Schneider. »Ich fertige diesen Stoff selbst an. Schauen Sie.« Er nahm das ärmellose Kleid, das eine Schulter freiließ, und hielt es vor eine der beiden Puppen am Seitenfenster. »Was sagen Sie, Miß?«
»Ich bin überwältigt«, stellte Nicole fest.
Sie wußte jetzt, daß sie es haben mußte, um jeden Preis. Und wenn es tausend Dollar kostete. Aber sie wagte in diesem Moment nicht nach dem Preis zu fragen, um die traumhafte Stimmung nicht zu stören.
Der Stoff glitzerte so eigentümlich wie die Augen des Schneiders. Doch die Ähnlichkeit fiel ihr nicht auf. Sie sah
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