0248 - Gatanos Galgenhand
hatte eine etwas kratzige Stimme. »Hatte er einen Schwanz? Spuckte er Feuer?«
»Nein, nein. Aber der Tote hat geröchelt!«
Link sagte das mit einer so großen, Bestimmtheit, daß Fred ihn anstierte und den Kopf schüttelte. Dann tippte er gegen seine Stirn. »Die Leiche röchelt noch, wie?«
»Ja. Ob du es glaubst oder nicht. Der tote Henker hat ein Röcheln von sich gegeben. Das schwöre ich dir.«
»Erzähle nichts. Du bist besoffen. Tote sind tot. Fertig, aus, basta.«
»Das stimmt nicht«, hechelte Link. »Ich bin zur See gefahren, und da habe ich Dinge erlebt…«
»Die dir sowieso keiner mehr glaubt. Jetzt halt dein Maul und faß mit an. Ich will den dämlichen Sarg endlich loswerden. Ist ja schlimm bei diesem Wetter.«
Link wußte, daß er seinen Kumpan nicht überzeugen konnte. Er hob die Schultern und schaute zu, wie Fred die Totenkiste längsseits von der Ladefläche zog. Als sie nur noch mit einer Kante aufstand, da packte auch Link mit an. Bevor er allerdings die Hände unter den Sarg legte, bedachte er ihn mit einem scheuen Blick.
»Mach schon, du Idiot!«
»Ja, ja.« Link griff zu.
Der Sarg war nicht leicht. Der Henker hatte sein Gewicht gehabt. Für solche Aufgaben konnte man auch nur kräftige Männer gebrauchen. Es hieß, er habe seine Opfer nur immer mit der rechten Hand getötet. Ihnen mit rechts die Schlinge umgelegt und sie dann auch mit der rechten Hand nur am Galgenbaum hochgezogen. Aus diesem Grunde hatte der Henker einen Spitznamen bekommen.
Man nannte ihn Galgenhand. Er selbst hieß Gatano, aber der Name Gatano, die Galgenhand, hatte in der Stadt einen bösen Klang und die Verruchtheit des Unheimlichen bekommen.
Sie mußten die mit nassem Schlamm bedeckte Straße überqueren, gelangten auf die andere Seite und wären fast noch gefallen, weil sie in der Dunkelheit den Graben nicht sahen..
Fred rutschte hinein, das Wasser stand plötzlich an seinen Knien, während sich Link noch oben aufhielt und den jetzt schräg stehenden Sarg umklammerte.
»Halte das Ding ja fest!« schrie Fred. »Ich will nicht, daß der Sarg hinfällt und auseinanderplatzt.«
»Denkst du ich, Mensch? Wo der Tote doch noch lebt.«
»Mach mich nicht wahnsinnig mit deinem Schiß, sonst haue ich dir was aufs Maul!« schimpfte Link.
»Du hast auch Angst, wie?«
»Nein, habe ich nicht, und jetzt paß auf. Ich gehe weiter.« Fred stieg aus dem Graben, der andere folgte und landete bald selbst bis zu den Knien im Wasser.
Link regte sich nicht einmal auf. Das hatte er sich abgewöhnt. Fred war immer der Stärkere. Aber die Angst blieb bei ihm. Und was er gehört hatte, das hatte er gehört.
Der Tote lebte…
Sie gingen weiter. Es war aufgefurchtes, schlammiges Ackerland, über das die beiden Männer schritten. Der Regen war noch dichter geworden.
Sie konnten kaum die Hand vor Augen sehen. Ihre Füße wühlten sich durch den Schlamm und oft genug spritzte Wasser hoch, wenn sie mal wieder in Pfützen getreten waren.
»Sind wir bald da?« fragte Link.
»Noch ein paar Yards.«
Sie blieben dort stehen, wo Büsche wuchsen und noch eine zusätzliche Deckung gaben. Hier hatte Fred auch die beiden Schaufeln hingelegt.
Jetzt konnten sie sich an die Arbeit machen.
Behutsam setzten sie den Sarg ab. Genau dort, wo sie ihn auf den Boden stellten, befand sich eine Querrinne, und der Sarg kippte leicht nach links.
Aber er hielt.
»An die Arbeit!« Link hörte das Kommando seines Freundes und nahm ebenfalls eine Schaufel auf. Der Boden war zwar weich, aber schwer, und die beiden Männer mußten im strömenden Schneeregen schuften wie zwei Ochsen, die einen hölzernen Pflug über das Weideland zogen.
So mancher Fluch drang über ihre Lippen. Sie verfluchten sich, das Wetter, den toten Henker, den Auftrag und schließlich die ganze Welt.
Schließlich hatten sie es doch geschafft, eine Grube zu graben, in die allerdings das Regenwasser hineinlief und sie sehr schnell ausfüllte. Sie beeilten sich noch mehr, denn ein Wasserbad sollte der Tote auf keinen Fall bekommen.
Schließlich war die Grube so tief, daß sie den Sarg darin versenken konnten.
»Das wär's«, sagte Fred, »und jetzt beeil dich mal!« fügte er noch hinzu, als er sah, wie Link nach Luft rang. »Wir haben es gleich geschafft, und dann versaufen wir die Silberlinge.«
Sie gingen zur Seite, packten den Sarg und hievten ihn hoch. Er hatte jetzt lange im Regen gestanden. Das Holz war nicht so gut, es faulte schon an, hinzu kam der Schlamm, der Teile
Weitere Kostenlose Bücher