0250 - Pandoras Botschaft
wir hier?«
»Ich will nur sehen, wie es weiterläuft und welch ein dummes Gesicht John Sinclair macht, wenn er tatsächlich kommen…« Das letzte Wort verschluckte sie. Dafür zuckte sie zusammen.
Auch Xorron hatte es bemerkt, sagte aber nichts. Er schaute zu, wie Lady X aufstand.
Die Vampirin blieb breitbeinig stehen. Sie hielt den Oberkörper nach vorn gereckt. Der Wind fuhr gegen sie und ließ ihr langes Haar flattern. Scharf drehte sie sich plötzlich zu Xorron herum.
»Da stimmt etwas nicht«, sagte sie.
»Was?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Ist Sinclair da?«
»Nein. Er wäre auch nicht ein so großes Problem«, erwiderte sie leise. Dabei schüttelte sie den Kopf, zog ihre Lippen zurück, und die beiden Zahnspitzen schauten aus dem Oberkiefer hervor.
Xorron wollte ebenfalls nicht mehr sitzen. Er stand ein wenig schwerfällig auf und blickte in die Runde.
»Wir werden noch einmal zurückkehren und es herausfinden«, erklärte Lady X. »Jetzt wird es Zeit für die Höhle.« Sie konzentrierte ihre Gedanken auf den Würfel, begann damit, ihn zu manipulieren, dachte stark an ihr Ziel und wollte, daß der Würfel sie dorthin brachte. Es tat sich nichts.
Zuerst lächelte die Vampirin noch. Dann zerfaserte dieses Lächeln, wurde zu einer Grimasse, während sie einen zweiten, diesmal noch konzentrierteren Versuch unternahm. Wieder nichts.
»Was ist los?« fragte Xorron.
Lady X hob die Schultern. »Der Würfel«, erwiderte sie mit leiser Stimme. »Er funktioniert nicht mehr…«
Zum ersten Mal seit langer Zeit verspürte sie so etwas wie Angst in sich aufsteigen…
***
Wir waren geflogen und gefahren. Die gesamte Strecke mit dem eigenen Wagen zurückzulegen, erschien mir von der Zeit her nicht angemessen. Wir wären zu viele Stunden unterwegs gewesen, und das war nicht der Sinn unserer Aktion. Es war bei unserem Plan geblieben. Ich wollte Suko in Billings absetzen, wo er sich mit Dr. McGovern in Verbindung setzen konnte. Doch mein Freund hatte Einwände gehabt. Wenn wir dort auftauchten und als Fremde erkannt wurden, konnte es seiner Meinung nach zu auffällig sein. Also wollte er mit dem Bus weiterfahren.
Dagegen hatte ich nichts. Auf der Straße nach Billings überholten wir den Bus, und eine Haltestelle weiter setzte ich meinen Freund und Kollegen ab.
Im Rückspiegel sah ich seine winkende Gestalt kleiner werden, als ich Gas gab und den Leih-Rover in eine Linkskurve lenkte, so daß Suko meinen Blicken entschwand. Den Weg zum Kloster hoch kannte ich noch, obwohl ich sonst von einer anderen Seite gekommen war. Kurz vor Peelham traf ich wieder auf die normale Straße. Im Ort selbst wollte ich noch tanken. An der ersten Station hielt ich an.
Soweit ich erkennen konnte, hatte sich nichts verändert. Peelham war noch immer das kleine Dorf am Fuß der herrlichen Schottland-Berge geblieben, die wenig Schnee zeigten und nur ihre Spitzen mit weißen Hauben verhüllt hatten. Der Januar war wirklich zu warm.
Zwar schaute mich der Tankwart prüfend an, vielleicht hatte er mich auch erkannt, doch er sagte nichts und füllte in aller Ruhe den Tank meines Wagens.
Ich mochte die Gegend. Sie strahlte eine gewisse Romantik aus, die man auch mit dem Wort ›ungezügelt‹ umschreiben konnte. Hier hatte der Mensch noch nicht in den Haushalt der Natur eingegriffen, und gerade das gefiel mir so. Ich zahlte die Rechnung und machte mich wieder auf den Weg. Bestimmt würde ich dem Ort noch später einen Besuch abstatten.
Hinter Peelham begann die Serpentinenstraße, die hoch zum Kloster St. Patrick führte. Eine Straße, die kaum befahren war und zu den einsamsten gehörte, die ich kannte. Die Fahrt in die Berge genoß ich sehr. Ich konnte mich nicht satt sehen an den stillen Gewässern, den schäumenden Wildbächen, dem plötzlich hinter einer Kurve erscheinenden Felspanorama und auch an dem leicht grauen Himmel mit seinen schweren Wolken, die mir sehr nach Schnee aussahen. Je höher ich fuhr, um so enger wurden die Kurven. Irgendwann hörte auch der Asphalt auf, so daß ich den letzten Rest auf einem Schotterweg zurücklegte. Jetzt sah ich auch mehr Schnee. Er lag besonders an den Nordhängen, doch er zeigte eine verharschte Oberfläche, und seine Farbe war schon schmutzig.
Noch eine Kurve, und ich sah die Mauern des Klosters vor mir. Ich atmete aus.
Da stand sie also, die Trutzburg des Guten. Das Kloster St. Patrick. Ein gewaltiges Bauwerk, in dem brave Mönche ihre Pflicht taten und das auch mir Schutz bieten
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