0254 - Treffpunkt Leichenhaus
senken mußte, um in die Augen des Betrunkenen zu sehen.
»Ich könnte jetzt in deine Schlagader beißen und dir das Blut aussaugen. Bist du dir darüber im klaren?«
»Sicher«, erwiderte Charly Water mit schwerer Zunge. »Das habe ich mir schon gedacht.«
»Ich werde es nicht tun.«
Ein nüchterner Mensch hätte aufgeatmet. Nicht so Charly Water. Bei ihm dauerte es, bis er begriffen hatte, und er verzog sein Gesicht zu einem breiten Grinsen.
»Du freust dich, nicht?« fragte der Bote.
»Ja, irgendwie schon…«
»Gut, dann laß dir sagen, daß du dich auch weiter freuen kannst. Allerdings nur, wenn du genau das tust, was ich von dir verlange, Charly. Hast du verstanden?«
»Ich…ich brauche einen Schluck.«
»Damit ist Schluß!« zischte der Vampir. »Ich habe mich nicht umsonst bemüht und dich ausgesucht. Du wirst ab heute meinen Befehlen folgen. Dieses Leichenhaus hier wird nun mir gehören, obwohl du oben deiner Arbeit völlig normal nachgehst. Aber hier unten herrsche ich, denn ich möchte das Haus und den Keller zu einem Treffpunkt machen.«
Charly Water verstand nicht. Er ging zwei unsichere Schritte zurück und fragte: »Zu…zu was?«
»Zu einem Treffpunkt, mehr nicht.«
»Und mit wem willst du dich hier treffen?«
»Das werde ich dir nicht auf die Nase binden«, erwiderte der Vampir, drehte sich um und lächelte teuflisch…
***
Eigentlich trieb man bei so einem Wetter keinen Hund vor die Tür, geschweige einen Menschen. Ich aber hockte in meinem Bentley und lenkte ihn durch das Sauwetter. Der Wagen war wieder in Ordnung gebracht worden, denn er hatte neulich etwas abbekommen, als ich unfreiwillig die Leitplanke geküßt hatte. [1]
Es hatte geschneit, dann war das Zeug in der Nacht gefroren, und nun fiel der Regen fast senkrecht aus den tiefhängenden Wolken. Die Schneereste auf der Straße sahen aus wie hellgraue Krusten.
Dazwischen gab es dann zwei Spuren, die man als Fahrrinnen bezeichnen konnte, und in die ich meinen Bentley lenkte. Ich mußte achtgeben, daß ich nicht aus der Spur rutschte, denn ich wäre nicht der erste gewesen, der bei diesen tückischen Verhältnissen im Graben gelandet wäre.
Suko war im Büro geblieben, dafür beförderte ich einen anderen Fahrgast.
Es war Myxin, der kleine Magier.
Nicht mein Chef, Sir James, hatte mich dazu überredet, die Tour zu machen, sondern Myxin. Auf seinen Wunsch hin hatten wir uns in den Bentley geschwungen und waren losgefahren.
»Du hättest dir auch ein besseres Wetter aussuchen können«, beschwerte ich mich.
Myxin verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln. »Tut mir leid, John, doch das Wetter kann ich leider nicht beeinflussen.«
»Und so etwas nennt sich Magier.«
»Auch uns sind Grenzen gesetzt.«
»Nobody ist perfect.« Danach schwieg ich, denn ein vor uns fahrender LKW schleuderte Matsch gegen die Scheiben des Bentleys. Ich schaltete die Wischer auf die höchste Stufe, bekam das Glas einigermaßen frei und lenkte auf die rechte Seite, um den Wagen zu überholen. Das gelang mir nur schwerlich.
»Es kommt auf eine Minute nicht an«, meinte Myxin, dem die Fahrerei ebenfalls nicht geheuer war.
Es wurde noch schlimmer, denn der Regen verwandelte sich in dicken, schweren Schnee. Zwar mehr in Schneeregen, aber das Zeug veränderte sich innerhalb von Sekunden zu einem dicken, tanzenden Wirbel, der die Sicht erschwerte.
Unser Ziel lag in einem Vorort von London, dicht an der Peripherie.
Dort gab es ein Zigeuner-Lager, das Myxin unbedingt besuchen wollte. Den Grund wußte ich nicht genau, aber er hing irgendwie mit dem Todesnebel zusammen.
Seit langem schon versuchte Myxin, ein Mittel gegen den Nebel zu finden. Das war ungeheuer schwer, selbst für den kleinen Magier, der wirklich zahlreiche Tricks und Kniffe kannte, aber der Todesnebel hatte ihm bisher Rätsel aufgegeben. Er und Kara, die Schöne aus dem Totenreich, suchten verzweifelt danach, und angeblich hatte Myxin eine Spur gefunden, die in dieses besagte Zigeunerlager führte.
Die seßhaften Menschen stehen dem fahrenden Volk skeptisch gegenüber. Oft zu Unrecht, wie ich meine, denn man hat den Zigeunern nie eine echte Chance gegeben.
Sehr gläubige Menschen befanden sich darunter, aber auch vermischt mit dem Aberglauben, der einfach nicht auszutreiben war.
Sie waren der Astrologie und den Weissagungen sehr zugetan. Sie glaubten ebenso an den Teufel wie an Gott, und beides vermischte sich manchmal, wobei sie die Existenz dämonischer Wesen nicht in Frage
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