0255 - Die Gefangene der Teufelsinsel
schaute sie direkt an, doch sie wich meinem Blick aus und wandte sich an Myxin.
»Du bist der Herr der schwarzen Vampire gewesen«, flüsterte sie. »Auf den alten Tafeln habe ich es gelesen, und du müßtest etwas über das geheimnisvolle Orakel wissen.«
»Nein, Azucena, ich weiß nichts darüber.«
»Doch, denke nach.«
Myxin schüttelte seinen Kopf. »Das Orakel von Atlantis ist mir nicht bekannt. Und vergiß nicht, daß ich mich damals nur dort aufgehalten habe, wo die Schwarze Magie zu Hause war.«
Azucena schloß die Augen. »Die alten Tafeln berichten von ihm. Es muß existiert haben…«
»Tut mir leid, ich weiß es nicht.«
»Dann hilft alles nichts«, sagte ich, »wir müssen zur Insel fahren.«
Es war ein schwerwiegender Satz, den ich da aussprach, das merkte ich auch an den Reaktionen der anderen. Ecco stöhnte auf und schüttelte den Kopf. Azucena schien sich noch mehr verkriechen zu wollen. Zudem schwieg sie.
»Traust du es uns nicht zu?« Suko unterbrach das lastende Schweigen.
»Ja, ich traue es euch zu, aber die Insel Sedonis zu betreten, bedeutet soviel wie ein Todesurteil.«
»Du lebst auch noch«, hielt ich ihr entgegen.
»Natürlich lebe ich. Ich hatte auch einen Auftrag zu erfüllen, und ich habe ein Pfand zurückgelassen.«
»Das Mädchen Marita.«
»Genau.«
Ich holte tief Luft und wischte einen Schweißfilm von meiner Stirn. »Wie seid ihr überhaupt auf die Insel gekommen?« erkundigte ich mich.
»Wir waren in Griechenland«, murmelte die alte Azucena, während sie die Hände faltete, »und wir wollten nach England. Bei einem großen Stammestreffen traf ich auf einen Zigeunerfürsten, der mir von der Insel Sedonis berichtete und von Ambiastro, den Vampir-Drillingen. Ich hatte schon von ihnen gehört. Eine uralte Legende berichtet darüber, und ich wollte mehr wissen. Der Zigeunerfürst erzählte mir, daß die Insel sich in dieser Zeit wieder zeigen würde. Es geschieht selten genug, aber die Gestirne standen so günstig, daß ein Auftauchen möglich war und es uns gelingen mußte, Ambiastro zu befreien.«
»Ihr wolltet ihn also haben?«
»Ja, wir brauchten ihn, denn wir besitzen Feinde, und mit Ambiastro wären wir mächtig gewesen.«
»Vampire wollen Blut. Habt ihr daran nicht gedacht?« fragte Suko in einem vorwurfsvollen Ton.
»Schon. Es wäre ja nicht unser Blut gewesen. Ich gebe zu, daß wir sehr egoistisch waren, und wir rechneten auch mit der Dankbarkeit der Vampir-Drillinge. Die einzige Tücke war das Opfer, das wir zurücklassen mußten. Wir redeten darüber und kamen überein, daß sich Marita opfern müsse. Sie war in unserem Sinne erzogen worden, und sie würde sich hüten, die alten Regeln zu mißachten. Ich sprach mit ihr. Sie war einverstanden, und somit ließen wir uns zu der Insel fahren. Es gab sie tatsächlich. Wir gingen an Land, suchten Ambiastro und fanden ihn auch. Während Marita an den Schlangenbaum gekettet wurde, fuhren wir wieder mit unserer Beute zurück. Auf den Tafeln hatten wir zuvor von einem geheimnisvollen Orakel gelesen und auch die Warnungen erfaßt, die von Feinden der Vampir-Drillinge sprachen. Das alles hielt uns nicht davon ab, unserer Aufgabe nachzukommen. Dabei ahnten wir nicht, daß die Feinde schon so nahe waren. Als wir es merkten, da teilten wir die Vampir-Drillinge. Es hat nichts genutzt…« Nach diesen Worten schwieg sie, senkte den Kopf, und ihre Hände zuckten.
Wir schauten uns an. Ein wenig waren wir schlauer geworden, kannten jetzt die Zusammenhänge, und unser Entschluß, die Insel zu besuchen, stand fester denn je.
»Wird eine schwierige Reise werden«, meinte Suko und schaute dabei Myxin fragend an.
Der kleine Magier lächelte. »Verlaßt ihr euch wieder auf mich?«
»Ja.«
»Mal sehen, ob ich es schaffe In der letzten Zeit mußte ich mich zu oft anstrengen.«
Ich schlug ihm auf die Schulter. »Tu mal was für deine Freunde. Außerdem wirst du dich, wenn du dich unmittelbar am Schauplatz befindest und mit den Dingen konfrontiert siehst, vielleicht erinnern.«
»Das wäre möglich.«
Bisher hatten uns die anderen Bewohner des Lagers in Ruhe gelassen.
Das änderte sich von einem Augenblick zum anderen. Schreie und Stimmen wurden draußen laut.
Gefährliche, grausame Schreie. Todesschreie…
Wir sprangen auf. Sogar die alte Azucena setzte sich hin. Auf ihrem Gesicht zeigte sich eine kaum faßbare Angst.
Da wurde schon die Tür aufgestoßen.
In den Wagen torkelte ein Mann. In Fetzen hing seine Kleidung vom
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