0255 - Die Gefangene der Teufelsinsel
Füßen wurde der Matsch zerdrückt, und er spritzte nach rechts und links zur Seite.
Man respektierte seinen Wunsch und ließ ihn allein. Ecco hatte das Gefühl, vor einer entscheidenden Wende zu stehen. Vor einer Sache, die er nicht überblicken konnte, denn Azucena hatte ja bereits angedeutet, daß es sich um Dinge handelte, deren Schicksal nicht mehr in ihren Händen lag.
Es waren Fremde erschienen. Sie wollten helfen. Ecco war dagegen gewesen, mittlerweile jedoch änderte er seine Meinung. Die Fremden mußten eben in die Auseinandersetzung mit einbezogen werden.
Schließlich ging es um Maritas Leben.
Sie befand sich in großer Gefahr, war als ein menschliches Pfand auf der geheimnisvollen Insel zurückgeblieben, und daß es ihr schlechtging, schien sie durch den Mund des Toten kundgetan zu haben. Jedenfalls glaubte Ecco fest daran.
Er brauchte nicht mehr weit zu gehen, um den Wohnwagen der alten Azucena zu erreichen.
Wenige Schritte, dann…
Wie vor eine Wand gelaufen, blieb er stehen.
Aus dem Schatten des Wagens lösten sich drei Gestalten. Zuerst konnte er sie nicht genau erkennen, sah aber, daß sie unterschiedlich groß waren.
Und dann entdeckte er Myxin. Der kleine Magier lächelte obwohl sein Gesicht ernst war. »Ich glaube, wir haben einiges zu besprechen«, sagte er mit leiser Stimme.
Ecco nickte. »Ja«, erwiderte er ebenso leise, »das glaube ich auch…«
***
Gegen den Strand rollte grünes Wasser.
Manchmal schimmerte es auch weiß, wenn es von den kleinen Riffen gebrochen wurde und sich Schaumkronen auf die Wellen setzten, als wollten sie diese mit ihren sprudelnden Hauben verschönern.
Es gab keine Steil- oder Felsküste, die dem Strand vorgelagert war, sondern nur Sand, auf dem die Wellen allmählich ausliefen. Der Sand schimmerte ähnlich wie das Wasser. Er hatte an manchen Stellen allerdings einen dunkleren Farbton, der schon ins Grünbraun hinüber schimmerte.
Dort wo das Wasser normalerweise nicht mehr hinreichte, da stand der Baum.
Es war ein seltsames, unheimlich wirkendes Gewächs. Mit einem Stamm versehen, der einen so gewaltigen Umfang besaß, daß schon mehrere Männer ihre Arme ausstrecken und eine Kette bilden mußten, um ihn umfassen zu können.
Der Stamm wuchs aus dem Boden hoch. Seine Größe konnte man im Vergleich zu anderen Bäumen als unnormal bezeichnen. Er schien früher einmal zu einem Baum gehört zu haben, doch irgend etwas hatte die meisten Zweige und Äste gekappt. Diejenigen, die noch vorhanden waren, hatten sich wie eine dicke Schnur um den oberen Teil des Stamms gewunden, so daß die Äste an Schlangen erinnerten, und in der Tat wurde dieser Baumstamm nur der Schlangenbaum genannt.
An den Ästen hing ein Mädchen!
Es war gefesselt und konnte sich nicht befreien. Es war in einer schlimmen Lage, denn seine Arme waren hochgereckt und durch eiserne Ringe mit den Ästen verbunden. Zwischen seinen hochgereckten Armen und den Ästen schimmerte noch eine Kette.
Die Füße konnte das Mädchen ebenfalls nicht bewegen, denn sie waren mit Metallringen gefesselt.
Wie lange das Mädchen schon in dieser Haltung stand, wußte es nicht zu sagen. Zeit spielte keine Rolle mehr. Die Gefangene wurde nur von der Angst und von ihrem Durst gepeinigt.
Das Mädchen war Marita, die junge Zigeunerin!
Man hatte sie auf der Insel als Pfand zurückgelassen, um sie irgendwann einmal abzuholen.
Marita hatte sich nicht einmal gewehrt. Sie war eine Zigeunerin, gehörte zum Stamm, und sie unterwarf sich den Gesetzen. Sie wußte aber auch, welches Grauen diese Insel für sie bereithielt, denn sie brauchte nur den Kopf zu senken, um die vor ihren Füßen liegenden Schädel zu sehen.
Reste der Menschen, die einmal wie sie auf der Insel gefangengehalten worden waren.
Ein schauriges Bild, das ihr am Anfang das Entsetzen durch den Körper gejagt hatte.
Mittlerweile war sie daran gewöhnt, und sie hatte sich auch mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß ihr eventuell das gleiche Schicksal widerfahren konnte.
Noch vertraute sie Azucena und ihrer Rückkehr. Wer die Geheimnisse der Vergangenheit lösen wollte, der mußte Opfer bringen, und zur Opferbereitschaft war Marita seit frühester Kindheit erzogen worden.
In den Jahren der Jugend war sie zu einer Schönheit erblüht. Wegen ihr hatten sich die jungen Burschen schon gestritten, und es war zu eifersüchtigen Exzessen gekommen.
Als einziges Kleidungsstück trug sie einen Fetzen von violetter Farbe, der ähnlich wie ein moderner
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