0259 - Der Prophet des Teufels
durchschaut. Sie machte auch ein paar Mal Anspielungen auf mein Testament, die ich gar nicht ernst nahm.« Sie hob den Finger und grinste, was ihrem Gesicht den Ausdruck einer Hexe gab. »Ich habe nämlich überhaupt kein Testament gemacht. Man soll niemals ein Testament machen, wenn man noch lange leben will. Und diese Absicht habe ich. Sie waren alle nur auf mein Geld scharf, Cynthia, Dolores und sogar Alexander. Wissen Sie, ich habe sie alle knapp gehalten. Ich durchschaue das Spiel, aber jetzt weiß ich, wem ich mein Vermögen hinterlasse. Jetzt weiß ich es. Und ich werde es auch tun.«
»Und wer ist der Glückliche?«, fragte Phil.
»Das sage ich nicht, aber es ist jemand, der es uneigennützig zum Besten der Armen und Gestrauchelten verwenden wird.«
»Etwa der Prophet?«, fragte ich.
Mir war plötzlich ein fantastischer Gedanke aufgestiegen.
»Nichts da, junger Mann. Die alte Rebecca kann niemand aushorchen. Die alte Rebecca weiß, was sie tut.«
»Wie Sie wollen, Mrs. Rhodes. Ich möchte Sie nur noch eines fragen. Warum haben Sie Dr. Carr sagen lassen, dass Sie auf seine Dienste verzichten? Er war gewaltig betrübt darüber.«
»Das kann ich mir denken«, kicherte sie. »Soll ich Ihnen seine Rechnungen zeigen? Er hat mich in fünfzehn Jahren um fünfundzwanzigtausend Dollar geneppt, obwohl mir niemals etwas gefehlt hat. Ich bin zwar dreiundsiebzig Jahre alt, aber gesund. Glauben Sie mir ruhig, ich bin kerngesund, sogar im Oberstübchen.«
»Sind Sie eigentlich fromm, Mrs. Rhodes?«, fragte mein Freund.
»Ein Pfarrer würde wahrscheinlich sagen, ich sei gottlos, aber das bin ich durchaus nicht. Ich bin fromm. Dolores hat zwar immer gesagt, es sei Bauernfängerei, was…« Sie schwieg plötzlich. »Nein, Rebecca Rhodes könnt ihr nicht aushorchen, und Cynthia ist ebenfalls hineingefallen.«
»Sie sind also nach wie vor der Überzeugung,'dass Cynthia Ihren Sohn ermordet hat und zwar, weil sie hoffte, dadurch zu erben.«
»Sie war ja die Nächste. Sie ist die einzige Verwandte, die ich noch habe.«.
»Hat Miss Ardmore denn niemals eine Anspielung darauf gemacht, dass Sie ihr etwas hinterlassen könnten?«
»Und wie, aber da war ich auf beiden Ohren taub. Mein Geld gebe ich dem, dem ich es geben will. Zwingen lasse ich mich nicht.«
»Und nun noch eines, Mrs. Rhodes. Ist Ihr Vermögen denn so groß, dass ein oder mehrere Morde sich deshalb lohnen würden?«
»So horcht man Leute aus«, grinste sie. »Kein Mensch wird erfahren, wie viel ich habe. Das geht niemanden etwas an.«
Als wir uns verabschiedeten, waren wir beide der Überzeugung, dass die alte Mrs. Rhodes zwar keinen Arzt mehr brauchte, aber einen Vormund und eine Pflegerin. Die Frau war bestimmt schon früher nicht ganz normal gewesen und jetzt durch den Schock des Mordes vollkommen durchgedreht. Von ihr konnte man keine klare Auskunft erwarten.
Im Office lag die Auskunft unserer Kollegen aus Los Angeles über die Teu-56 felsnadel vor. Man hatte den Hersteller ermittelt und festgestellt, dass dieser vor einem Jahr tausend Nadeln auf Bestellung angefertigt hatte. Diese Nadeln waren im Voraus bezahlt worden, und er hatte sie als postlagemdes Wertpaket nach New York geschickt. Die Adresse war Jack Robinson und dieser angebliche Jack Robinson hatte die Sendung abgeholt. Wer er war und wie er aussah, wusste kein Mensch.
***
Es lagen aber auch bereits drei recht gute Fotos des Sektenpredigers, der sich Vincent Dangerin nannte, auf meinem Schreibtisch. Auf einem dieser Bilder kam er gerade aus seinem Haus. Das zweite zeigte ihn, als er die 128. Straße hinunterging und auf dem dritten war er im Begriff, in einen eleganten Chrysler zu steigen, an dessen Steuer eine Dame saß.
Diese war jung und blond. Mehr konnten wir beim besten Willen nicht erkennen. Leider hatte unser Kollege es in der Aufregung der Jagd nach dem Bild versäumt, sich die Nummer des Wagens zu merken. Er wusste nur, dass es ein New Yorker Wagen sei.
Ich betrachtete dieses Foto besonders eingehend und stellte fest, dass der Chrysler an der linken Seite einen sogenannten Suchscheinwerfer hatte. Außerdem hatte unser Mann notiert, dass der Wagen türkisfarben sei. Türkisfarbene Chrysler gibt es nicht häufig, ebenso wenig wie Suchscheinwerfer. Vielleicht würde man aufgrund dieser Einzelheiten feststellen können, wem das Auto gehörte. Ich glaubte sicher zu sein, es sei im Besitz eines der dem Prediger besonders ergebenen Mitglieds seiner Sekte.
Dieses Bild steckte ich mir
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