0259 - Der Prophet des Teufels
solchen Humbug schon mehr als einmal erlebt. Das Einzige, was ich nicht begreife, ist, womit der Mann sein Geld macht. Ich habe immer darauf gewartet, dass eine Kollekte kommt oder auf andere Art Geld gesammelt wird.«
»Er wird schon einen Trick haben, mit dem er seine Schäflein schert«, meinte ich. »Außerdem werde ich mir zu Hause die Predigt noch einmal in aller Ruhe anhören. Ich habe das kleine Tonband-Aufnahmegerät eingesteckt.«
***
Die meisten Wagen waren bereits abgefahren, und die Fußgänger strebten der nahen Untergrund- oder Busstation zu. Gerade vor uns gingen langsam zwei Mädchen. Es fiel mir auf, dass die eine einen sicherlich sehr teuren Sommerpelz trug. Sie hielt den Kopf gesenkt, und ich hörte sie leise schluchzen.
Wir bemühten uns, unsere Schritte zu dämpfen, bis wir dicht hinter den beiden waren.
»Mach dir nicht so viel Kummer, Gladys«, klang die Stimme der zweiten, die ihre Freundin um die Schulter gefasst hielt. »Du wirst sehen, dass alles halb so schlimm ist. Zuerst hatte auch ich Angst vor der Buße, die der Prophet mir auferlegen würde, äber glaube mir, heute büße ich gern.«
»Ich habe so schreckliche Angst«, wimmerte Gladys.
»Das brauchst du nicht. Ich will nicht in der Hölle schmoren.«
Wir mussten notgedrungen wieder etwas Zurückbleiben und sahen, wie die zwei auf einen großen Cadillac zuschritten und darin verschwanden! Ein livrierter Fahrer schloss die Tür und setze sich hinters Steuer. Es gelang mir, die Nummer zu erkennen, bevor der Caddy davonbrauste.
»Vornehme Kunden scheint dieser Prediger zu haben«, brummte Phil, »und ich möchte verdammt gern wissen, ob die Bezeichnung Prophet ein Zufall war, oder ob er allgemein so genannt wird.«
Wir hatten meinen Jaguar erreicht, als auf der anderen Seite der Straße eine Dame in ein Buick-Cabriolet sprang und im gleichen Augenblick bereits davonstob.
»Hast du die Frau gesehen?«, fragte ich meinen Freund.
»Welche Frau? Es laufen hier so viele herum.«
»Die mit dem Buick. Ich möchte darauf schwören, dass es Joyce West war, aber ich konnte ihr Gesicht nicht genau erkennen und ebenso wenig die Nummer des Autos.«
»Was sollte die unmoralische Joyce hier zu suchen haben?«, meinte Phil. »Wie ich sie einschätze, ist sie die letzte, die zu einem Pseudoheiligen geht, um sich eine Buße auferlegen zu lassen.«
Wir fuhren bis zur 72. Straße. Dort wollten wir noch einen Drink nehmen. Als mein Blick auf die Telefonzelle neben der Theke fiel, dachte ich an die Nummer des Caddys, die ich mir aufgeschrieben hatte.
»Ich komme gleich wieder«, sagte ich und rief die Verkehrspolizei an.
Ich hatte Glück, dass der Cop am Telefon mich kannte. Fünf Minuten später wusste ich, dass der Caddy, in dem die beiden Mädchen weggefahren waren, einem Raimond Galloway gehörte und dieser in Richmond in einer Gegend wohnte, die von sehr reichen Leuten bevorzugt wird. Wenn ich mich nicht sehr irrte, so war das Mädchen Gladys die Tochter dieses Galloway, und diese Tochter hatte etwas getan, was sie selbst als Sünde empfand. Sie fürchtete sich nun vor den Folgen.
Ich nahm mir vor, mich am Morgen telefonisch mit Galloway in Verbindung zu setzen und ihm zu raten, seine Tochter an die Kandare zu nehmen und vor allem die Besuche in der Betstunde zu unterbinden.
Well, ich kam nicht mehr dazu, das zu tun. Am Morgen war Gladys Gallaway tot. Sie hatte eine Überdosis Schlaftabletten geschluckt und einen Abschiedsbrief hinterlassen, den ich im Büro von Captain Belmont bei der Richmond Police studierte.
***
Dieser Abschiedsbrief war ein Ausdruck höchster Verzweiflung und Angst. Sie schrieb nicht von dem Betsaal in der 128. Straße oder dem Prediger.
Sie schrieb nur, sie habe eine Todsünde begangen und müsse sich ihr ganzes Leben lang schämen, sie fürchte sich unsäglich vor der Strafe, die der Himmel ihr auferlegen würde und könne ihren Eltern nicht mehr in die Augen sehen.
Das war alles. Dabei befand sich ein Zeugnis des Hausarztes der Familie, das besagte, dass Gladys Galloway ein Kind erwartete. Dieses Zeugnis erklärte alles. Das Mädchen, das übrigens erst zwanzig Jahre alt war, musste sich einer Freundin anvertraut haben, die sie in die Betstunde schleppte, wo ihre Erre-52 gung und Angst so stark aufgeputscht wurde, dass sie sich keinen Ausweg mehr wusste.
Wer diese Freundin war, wusste niemand.
Der Captain hatte bereits verschiedene Bekannte und Freundinnen des Mädchens vernommen, die alle bestritten, von
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