026 - Bote des Grauens
…“
„Das ist vorbei, mein Liebling.“
Eine plötzliche Ahnung ließ ihn hochfahren. Er umklammerte ihre Schultern. „Sie ist tot?“
„Ja.“
„In jener Nacht …“
„Nein, zwei Tage später. Es ist seltsam, vielleicht sogar sehr herzlos von mir – aber ich dachte nur an dich und dass ich dich verloren habe, und kannte keinen anderen Schmerz. Du hast dich nicht geändert? Magst du …“
„Liebling!“ Er legte seine zitternde Hand auf ihre Lippen. „Wie ist sie gestorben?“
„Musst du es wissen?“
„Ja.“
„Ihr Arzt verbot ihr Pralinen. Da sagte sie ihm aufgebracht ihre Meinung und regte sich fürchterlich dabei auf. Schlaganfall. Sie hat die Besinnung nicht wiedererlangt.“
Erleichtert aufseufzend ließ er sich zurückfallen. „Nach zwei Tagen! Und in jener Nacht?“
„Sie war nicht wirklich ärgerlich. Sie – sie war eine alte, verbitterte Frau, der es Freude bereitete, mich zu quälen. Oh, ich weiß, es ist schrecklich von mir, so über sie zu reden. Aber du sollst kein Mitleid mit ihr haben. Sie starb wie sie lebte, keifend und unzufrieden. Früher einmal, als mein Vater noch lebte, war sie gütig, wenn sie es auch nur selten zeigte. Aber danach! Bitte reden wir nicht mehr davon.“
„Es tut mir leid.“
„Nun musst du mir erzählen“, drängte Laura. „Heute Nachmittag las ich in der Times, wie Dr. Evanston einen kanadischen Fliegeroffizier geheilt hat. Ich wusste sofort, dass es sich um dich handelte, und habe gleich bei ihm angerufen. Seine Sprechstundenhilfe sagte mir, dass du in diesem Krankenhaus liegst. O Liebling, ist es wirklich wahr? …“
„Ja.“
„Es störte mich nicht, aber ich fühlte, wie unglücklich du darüber warst, und dass du immer glauben würdest, ich habe dich nur aus Mitleid …“
„Ich kann wieder fliegen!“
Sie freute sich mit ihm und lachte über seine Begeisterung. Eine Schwester kam herein und blickte sie etwas missbilligend an. Dann schaltete sie das Licht ein und stelzte zur Tür hinaus.
Clay lachte laut über ihren offensichtlichen Unwillen; er freute sich, dass Laura bei ihm war, er war sehr glücklich. Plötzlich blickte er sie ernüchtert an.
„Laura, ich muss dir etwas sagen.“
Sein unerwarteter Ernst erschreckte sie. „Bitte, Liebling. Hat das nicht Zeit?“
„Nein, Laura. An dem Abend, an dem ich dich verließ und am nächsten Tag, ist verschiedenes passiert. Ich darf es dir nicht verheimlichen, obwohl es den Anschein hat, dass ich nun davon frei bin. Aber achtundvierzig Stunden lang war es lebensgefährlich, in meiner Nähe zu sein.“ Er erzählte ihr, was sich ereignet hatte.
Nun hielt sie ihm ihre Hand an den Mund. „Bin ich erleichtert!“
Er blickte sie überrascht und fragend an.
„Ich dachte schon, du gestehst mir, dass du bereits mindestens drei Frauen hast. Oh, es tut mir so leid, so sehr leid, dass du das alles mitmachen musstest. Aber das Leben ist eben grausam. Der Tod ist immer um uns. Und der Zufall brachte ihn dir besonders nahe. Du hattest mit diesen Unglücksfällen nichts zu schaffen, glaube mir.“
„Dann hast du also keine Angst?“
„Vor dir?“ Sie lachte. „Höchstens davor, dass du mir mein Herz brechen könntest.“
„Aber vielleicht gibt es diesen Schatten wirklich? Und wenn es mich doch noch ereilt?“
„Fürchtest du den Tod, Clay McLean?“
„Nicht mehr als andere auch.“
„Dann vergiss die ganze Geschichte.“
„Du scheinst so sicher, Laura.“
„Vielleicht, weil ich so glücklich bin.“
„Laura?“
„Ja?“
„Laura – würdest du mich heiraten?“
„Schon vor zwölf Tagen, wenn du mich gefragt hättest.“
„Dann …“
„Morgen in der Früh werde ich mir mein Hochzeitskleid kaufen.“
„Willst du damit sagen, dass du mich gleich hier heiraten wirst?“ fragte er, von Glück überwältigt.
„Natürlich, ehe du es dir anders überlegst.“
Er zog sie an sich und küsste sie lang und zärtlich.
Einen Monat später, nach einer dreitägigen Abwesenheit von seinem neuen Heim, kam Clay McLean mit beschwingtem Schritt die Avenue herauf. Er war nicht mehr als der Mann zu erkennen, der vor so kurzer Zeit frierend vor Dr. Evanstons Haustür gesessen hatte. Tatsächlich war die Verwandlung so ungeheuer, dass dem buckligen Zeitungsverkäufer vom Stand an der Straßenecke gegenüber dem Park fast die Augen aus dem Kopf fielen, ehe er ihn nach dreimaligem Vergewissern endlich ansprach.
„Mein Gott, Leutnant, sind Sie es wirklich? Sie haben sich
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