Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
026 - Das Totenhaus der Lady Florence

026 - Das Totenhaus der Lady Florence

Titel: 026 - Das Totenhaus der Lady Florence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
Vom Netzwerk:
Sie die letzten hundert Meter mit mir zu Fuß gehen.«
    An der Seite des Maklers ging Richard Burling auf dem steinigen Pfad auf
das Haus zu, das sich hinter einer Reihe von dicken Eichen, deren kahle,
knorrige Äste sich wie anklagend dem grauen, verwaschenen Himmel
entgegenreckten, verbarg. In dem Park, der mehr als verwildert war, gab es
Trauerweiden und Zypressen wie auf einem Friedhof.
    Das Landhaus passte in diese düstere Landschaft, es hob sich kaum daraus
empor. Dieses dunkle Gebäude schien förmlich mit dem Boden verwachsen zu sein.
Auf der einen Seite des Parks waren noch die Reste einer zerfallenen Mauer zu
erkennen, die das Grundstück vom Moor trennten. Die Front wurde durch ein
verwittertes, hölzernes Gatter geschützt. Aber wenn man es darauf anlegte, dann
konnte auch ein ungeübter Kletterer diesen Zaun übersteigen.
    Der Makler drehte den Schlüssel im Schloss. Knarrend wich die Tür zurück.
Sie betraten das Anwesen. Das Landhaus lag gut hundert Meter weiter hinten.
Schmale Wege führten zwischen den Zypressen, Trauerweiden und Eichen hindurch.
Feuchtes Laub klebte auf dem Boden.
    Richard Burling schüttelte den Kopf. »Es ist mir unverständlich, dass sich eine
Frau wie Lady Florence in dieser Abgeschiedenheit wohl gefühlt hat!« Der
Schriftsteller schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Es war eine
ägyptische Marke, die ihm ein Freund aus Alexandria geschickt hatte. »Und in
dieser Wildnis! Wieso wurde hier eigentlich nie etwas gemacht? Gab es keine
Hausangestellten? Bei ihrem Reichtum konnte sich die Lady doch Personal
leisten, einen Gärtner, Diener ...«
    Raunsley fuhr mit der Zunge über seine Lippen. »Sie war eine merkwürdige
Frau, ich glaube, ich habe Ihnen das heute schon einmal gesagt, Mister Burling.
Diese – hm – Unordnung, um es einmal so zu sagen, herrscht natürlich schon eine
geraume Zeit. Das ist nicht erst jetzt in den letzten sechs Wochen geschehen,
seitdem das Haus unbewohnt ist. Lady Florence lebte sehr bescheiden. Sie hat
ihr gesamtes Barvermögen schon zu Lebzeiten Wohltätigkeitsvereinen vermacht.
Der Anwalt, Mister Henderson, der den Nachlass der Dodgenkeems verwaltet, hat
nicht eine einzige Münze mehr in diesem Haus gefunden. Die Schmuckstücke
stellte er sicher, um sie seiner Klientin in Amerika zu übersenden. Alles
andere blieb im Haus.«
    Richard Burling sah den Makler von der Seite her an. Raunsley sprach von
allem Möglichen, ohne zum Wesentlichen zu kommen. Die eigentliche Frage ließ er
unbeantwortet. Richard Burling aber ließ nicht locker. Dass Raunsley seine
Frage zu offensichtlich übergangen hatte, irritierte ihn ein wenig.
    »Ach so, einen Gärtner. Natürlich, es war einmal einer angestellt. Aber das
ist schon drei oder vier Jahre her.«
    Als Raunsley diese Worte sprach, hatte Richard Burling das Gefühl, dass der
Makler ganz genau wusste, wie lange das her war, aber merkwürdigerweise scheute
er eine präzise Angabe. Seitdem er hier war, hatte er sich auf merkwürdige
Weise verändert. Es war, als ob er sich fürchte.
    Richard Burling musste sich eingestehen, dass diese Umgebung alles andere
als freundlich wirkte. Sie war bedrückend. Selbst die alten, dunklen Mauern des
Hauses strahlten eine seltsame Kälte und etwas Geheimnisvolles aus. Aber dieses
Gefühl hatte er stets, wenn er vor einem sehr alten Gebäude stand, wenn er
daran dachte, dass hinter diesen Wänden schon vor einer Zeit Leben geherrscht
hatte, als er noch gar nicht geboren war. Menschen aus einer anderen Zeit, aus
einer anderen Generation hatten hier gelebt, geliebt und gehasst. Hier schien
sich wahrhaftig in den letzten zwei Jahrhunderten nicht viel geändert zu haben.
    Richard Burling ging um das düstere Haus herum, an dem alle Fensterläden
geschlossen waren. Moos hatte sich an dem feuchten Holz angesetzt.
    Das Haus stand mit der Rückwand direkt an einer steilen Böschung, die knapp
dreißig Meter in die Tiefe ging. Ein breiter Pfad mit flachen, terrassenförmig
angelegten Stufen führte in die Tiefe zum Meer. Ein paar dicke Felsbrocken
lagen unten am Strand und wurden von den gischtschäumenden Wassern umspült.
    Die Rückwand dieses Hauses hatte merkwürdigerweise keine Fenster. Es war
eine einzige Wand aus Stein mit breiten Mörtelfugen. Irgendjemand in der langen
Reihe der Dodgenkeems musste den Ausblick auf das Meer gefürchtet haben.
Richard Burling glaubte in dem verwitterten Gemäuer die ehemaligen Umrisse von
zwei breiten Fenstern zu erkennen. Man hatte sie

Weitere Kostenlose Bücher