026 - Ich jagte das rote Skelett
Georgina war nicht wirklich unzufrieden mit ihm. Sie wollte nur erreichen, daß er die Zügel nicht allzu sehr schleifen ließ. Es war ganz gut, wenn sie ihm ab und zu ins Gewissen redete. Es war überhaupt gut, daß er mit Georgina verheiratet war. Ein Glücksfall war sie für ihn. Jeden Tag hätte er dem Himmel danken sollen, daß er so eine Frau bekommen hatte. Sie lenkte ihn, manchmal merkte er es nicht einmal. Sie sorgte dafür, daß er beruflich auf dem richtigen Kurs segelte – aber er bestimmte das Tempo.
Dieser Nick Stewart war dazu eingeteilt worden, in der ausgebrannten Fabrik Wache zu schieben.
Er lehnte an der Mauer neben dem verschlossenen Gittertor, und die Langeweile machte ihn schläfrig.
Langsam streifte er den Ärmel seiner Uniform hoch und warf einen Blick auf die Armbanduhr, die ihm Georgina letzte Weihnachten geschenkt hatte. Ein teures Stück war das, auf das Georgina zwei Jahre heimlich gespart hatte. Ganz verlegen hatte sie ihn gemacht, denn er hatte kein so teures Geschenk für sie unter den Christbaum gelegt.
Punkt 22 Uhr.
In zwei Stunden sollte Stewart abgelöst werden.
Von Keith Williams. Er mochte ihn nicht. Keith hatte keinen einzigen Freund im Revier, war starrköpfig, rechthaberisch und eitel. Man beschränkte den Kontakt mit ihm auf das Notwendigste, was ihn jedoch nicht im mindesten störte.
Zwei Stunden noch, dachte Nick Stewart. Dann nichts wie nach Hause. Vielleicht schläft Georgina noch nicht…
Er grinste. Manchmal wartete sie auf ihn. Wenn er Glück hatte, auch heute.
Seiner Ansicht nach war es blanker Unsinn, hier einen Posten herzustellen. Er glaubte nicht, daß der Silbersarg gefährlich war.
Was sollte schon passieren?
Natürlich konnte es sich in der Unterwelt von London herumgesprochen haben, daß hier eine Menge Silber zu holen war, aber würden die Ganoven es wagen, sich an dem Silbersarg zu vergreifen?
Nick Stewart atmete tief ein. Zwei Stunden noch. Die würden auch noch vergehen. Das Schöne an der Zeit ist, daß sie nicht stehenbleibt.
Stewart hüstelte. Er klopfte sich mit der Hand auf die Brust. Die rauhe Luft tat seinen Bronchien nicht gut. Heute spürte er es wieder. Er war deswegen noch nicht beim Arzt gewesen. Vielleicht würde er morgen gehen. Ja, morgen, falls das Brennen in seiner Brust nicht aufhörte.
Der Polizist bemerkte das glühende Skelett nicht, das vorsichtig die Stufen hochstieg.
Stewart wandte Arma den Rücken zu.
Fast lautlos pirschte sich die Zauberin an Nick Stewart heran.
Plötzlich vernahm er ein Geräusch, und er drehte sich ohne Eile um. Was er im selben Moment zu sehen bekam, ließ ihn an seinem Verstand zweifeln. Starr stand er da und glotzte das rote Skelett an, das seine Hände um zwei dicke Gitterstäbe legte.
Wahnsinn! Das Eisen fing an zu glühen!
Arma bog die Stäbe auseinander. Kein Wunder, daß Nick Stewarts Verstand aushakte. Noch nie wurde er mit solchem Horror konfrontiert. Er glaubte, verrückt geworden zu sein.
Ihm war klar, daß er irgend etwas tun mußte, doch der Schock lähmte ihn. Fassungslos beobachtete er, wie das rote Skelett zwischen den auseinandergebogenen Stäben durch das Gitter stieg.
Kalter Angstschweiß brach ihm aus allen Poren.
Du bist verloren! schrie es in ihm. Der Teufel holt dich. Der Teufel in Gestalt dieses Gerippes!
Die Todesangst krallte sich um sein Herz und brachte es beinahe zum Stehen. Flieh! schrie die innere Stimme. Lauf doch weg!
Ergreife die Flucht! Noch kannst du’s schaffen!
Doch er bewegte sich nur marionettenhaft. So konnte keine Flucht gelingen. Einmal im Leben hätte Nick Stewart schnell sein müssen, aber es war ihm nicht möglich.
Kreidebleich war sein Gesicht. Die Augen quollen weit hervor.
Endlich fiel ihm ein, daß er bewaffnet war. Er griff zum Revolver, bekam das Eisen jedoch nicht mehr aus dem Leder, denn mit zwei schnellen Schritten erreichte ihn Arma.
Er sah ihre glühenden Knochenhände auf sich zurasen und stieß einen heiseren Schrei aus. Gleichzeitig sprang er zurück. Die Glutfinger der Zauberin streiften nur seine Kehle. Trotzdem fraß sich eine beißende Hitze durch seinen Hals und trieb ihm die Tränen in die Augen.
Jetzt veranlaßte ihn die Panik, das Weite zu suchen. Atemlos drehte er sich um, doch Arma ließ ihn nicht entkommen. Ihr Schlag mit der Glutfaust warf ihn zu Boden.
Er schrie abermals, rollte herum, wollte aufspringen, aber Arma war zur Stelle und legte ihm ihre glühenden Finger um den Hals…
***
Die Uhr am
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