026 - Ich jagte das rote Skelett
Wo die Gläser standen, hatte sie sich gemerkt. Sie nahm eines, goß es voll, trank es aus, goß es noch einmal voll, stellte die Flasche wieder in den Kühlschrank und schickte sich an, zu Nora Landis zurückzukehren.
Aber die Tür ließ sich nicht öffnen.
Klemmte sie?
Myrna Sullivan drückte mit dem Körper dagegen. Zuerst leicht, dann etwas stärker und schließlich mit ziemlichem Schwung, doch die Tür ging nicht auf.
»Das gibt’s doch nicht«, sagte Myrna verwundert. »Sie fiel vorhin doch nur zu!«
Sie ahnte nicht, was wirklich hinter dieser Sperre steckte.
***
Nora Landis nippte von ihrem Wein. Sie dachte über sich und William nach, und über das Baby, das sie schon so gern gehegt und gepflegt hätte. Sie beneidete Myrna ein wenig um ihren süßen Jungen. Nun, vielleicht war William heute in der richtigen Stimmung, um sich überreden zu lassen…
Ich werd’s auf jeden Fall versuchen, dachte Nora und schmunzelte schelmisch.
Die Küchentür fiel zu. Nora stellte ihr Glas auf den Tisch und stand auf. Eine gewisse Unruhe machte sich in ihr bemerkbar.
Wenn alles in Ordnung gewesen wäre, hätten William und Harley schon wieder zurück sein müssen. Was hatten sie entdeckt? Versuchten diese Penner noch mal, hier unterzukommen?
Schritte.
Draußen in der Diele.
Hart pochend.
Wer konnte das sein?
William trug solche Schuhe nicht. Harley auch nicht. Und Myrna erst recht nicht. Wer hatte die Hausmeisterwohnung betreten? Es mußte ein Fremder sein. Noras Gedanken fingen an zu galoppieren.
Ein Einbrecher? Sollte sie Myrna rufen? Sie wandte sich der offenstehenden Tür zu. Ihre Züge strafften sich. Sie biß sich auf die Lippe, fröstelte mit einemmal und rieb sich die Oberarme.
Was war denn das für ein roter Schein?
Nora hatte den Eindruck, in der Diele würde sich etwas Glühendes bewegen.
Quatsch! sagte sie sich energisch. Was bildest du dir denn ein?
Sie hörte, wie Myrna die Küchentür zu öffnen versuchte, es aber nicht schaffte. Dafür hatte sie keine Erklärung.
»Myrna?« kam es heiser aus ihrem Mund.
Sie bekam keine Antwort. Aber die hart pochenden Schritte kamen näher. Der rote Schein wurde intensiver, und im nächsten Augenblick hatte Nora Landis das Gefühl, überzuschnappen, denn sie sah sich einem rot glühenden Skelett gegenüber.
***
»Du kriegst die Tür nicht zu«, sagte ich sitzend, während ich mich vom Anblick des Hexenhenkers nicht losreißen konnte.
Anthony Ballard, mein Ahne, kam mit schweren Schritten auf mich zu. Ich stand auf, und der Hexenhenker reichte mir die Hand.
Dunkel funkelten seine Augen unter der Maske. Soweit ich es sehen konnte, hatten wir keine Ähnlichkeit miteinander.
Er streckte mir seine sehnige Hand entgegen. »Freut mich, dich kennenzulernen, Tony Ballard. Ohne Pakkadees Hilfe wäre das nicht möglich gewesen. Es gelang ihm, mich aus dem Totenreich zurückzuholen und mich stärker zu machen, als ich es jemals war.«
»Ach, und um mir das zu beweisen, zerquetschst du nun meine Hand«, sagte ich schief grinsend.
Er ließ meine Hand los, und ich bog die Finger seufzend auseinander. Anthony Ballard war garantiert eine echte Bereicherung für den »Weißen Kreis«.
Dieser Mann war eigentlich schuld daran, daß ich Dämonenjäger wurde. Er hatte die Aufgabe, in unserem kleinen Dorf sieben Hexen am Galgenbaum aufzuknüpfen.
Die Teufelsbräute verfluchten ihn und unser Dorf, suchten es alle hundert Jahre heim und verbreiteten Angst und Schrecken. Doch damit begnügten sie sich nicht. Sie brachten auch stets Menschen um, und immer mußte einer aus dem Geschlecht der Ballards dabei sein. [4]
Als es wieder einmal soweit war, war ich Polizeiinspektor in unserem beklagenswerten Dorf, und diesmal nahmen die sieben Hexen mich aufs Korn. Aber mich kriegten sie nicht. Es gelang mir, sie zu vernichten und ihren Fluch von unserem Dorf zu nehmen, und so wuchs ich nach und nach in meine jetzige Aufgabe hinein.
Ich war überwältigt.
Anthony Ballard, der Hexenhenker… Nunmehr ein Mitglied des
»Weißen Kreises«.
Ich wandte mich an Daryl Crenna und wies auf den Henker. »Er war früher ein Mensch. Wie verhält sich das heute mit ihm?«
»Nun ist er natürlich kein Mensch mehr«, sagte Pakka-dee.
»Sondern?«
»Ein Wesen eben, das ich aus dem Totenreich loseisen konnte.«
»Aber kein Dämon.«
»Nein, Tony, kein Dämon.«
»Aber auch kein Geist«, sagte ich. »Denn dafür hat er einen zu schmerzhaften Händedruck.«
»Er ist so hier, wie er im
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