026 - Stadt der Untoten
muss etwas weiter ausholen. Die Mutter meiner Mutter stammte aus Afra und dort war es üblich, ein Kind nach einer besonderen Begebenheit zu benennen, die am Tag der Geburt passierte. Das galt als gutes Omen und unsere Familie hat die Tradition aufrecht erhalten. Am Tag, als ich geboren wurde, flog ein Aar drei Mal über das Dach des Hauses. Meine Großmutter kam herein und sagte, ich solle Fliegt auf den Schwingen des Aars genannt werden.«
Cosimus runzelte die Stirn. »Ein etwas langer Name, aber auch ein sehr schöner. Ich weiß nicht, warum…«
Colomb ließ ihn nicht ausreden. »Sie nannte ihn in ihrer Sprache, mit der meine Eltern vertrauter waren als mit der, die Ihr und ich heute benutzen. In ihrer Sprache hießen diese Worte…« Er unterbrach sich und sah Cosimus scharf an. »Wenn Ihr lacht, lasse ich Euch auspeitschen.«
»Ich werde nicht lachen, Kapitaan«, versicherte der Gelehrte mit steinerner Miene.
Colomb lehnte sich vor. »In ihrer Sprache«, wiederholte er leise, »hießen diese Worte Wech'isderkaan.«
Einen Moment lang sah Cosimus ihn verständnislos an, dann begannen seine Mundwinkel zu zucken. Er presste die Lippen zusammen und biss sich auf die Zunge, aber selbst der Schmerz brachte den Drang nicht zum Erliegen.
Er öffnete den Mund - Brüllendes Gelächter ließ Matt herumfahren. Durch die beschlagenen Scheiben des Treibhauses glaubte er Colomb und Cosimus zu erkennen, war sich aber nicht sicher.
Er hob die Schultern und sah sich suchend auf dem Dach um. Es wurde von einem Zirkuszelt überspannt, an dessen Seiten mannshohe Glasscheiben errichtet waren. Einige Gasflaschen standen neben dem gewaltigen Treibhaus. Mit ihnen wurde das Innere des Zeltes erwärmt, sodass hier Früchte und Gemüse in seltener Pracht gediehen. Unter dem Dach bewegten sich einige Gäste des Maa'ors, aber keine Diener. Und
genau nach einem dieser Diener, nämlich dem Mann, der vor dem offenen Fenster gestanden hatte, suchte Matt.
Vermutlich sah er Gespenster, aber das Bild ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Wenn die Parasiten bereits bis in die Residenz des Maa'ors vorgedrungen waren, stand die Stadt vor einem größeren Problem, als Matt befürchtet hatte.
Matt dachte an die Atombombe, die keine fünfzig Kilometer vor der Küste explodiert war. Er sorgte sich um die Bewohner Nuu'orks, denn in den letzten zwei Tagen hatte der Wind gedreht und wehte nun von Osten.
Es war ein warmer Wind, der die Temperaturen bei Tag bis knapp unter den Gefrierpunkt steigen ließ - beinahe sommerliche Verhältnisse für eine Stadt am Rande eines riesigen Gletschers. Matt nahm jedoch an, dass er außer der Wärme auch radioaktive Partikel mit sich brachte.
Vermutlich war es nicht allzu gesund, sich länger in Nuu'ork aufzuhalten.
Eine rote Dieneruniform tauchte zwischen den Schornsteinen auf. Matt sah blonde Haare und erkannte den Diener, nach dem er suchte. Obwohl er ihn nicht von vorne gesehen hatte, waren ihm die Haare aufgefallen. In einer Stadt, die zum Großteil von Schwarzen und Latinos bewohnt wurde, war blond keine häufige Farbe.
»Hey du«, rief er dem Diener zu, der zu seiner Überraschung stehen blieb und sich umdrehte.
»Was kann ich für Euch tun, Sir?«, fragte der junge Weiße höflich. Die Uniform, die er trug, war etwas zu eng und spannte sich über seinem Oberkörper.
Matt ging näher an ihn heran. Seine Blicke suchten nach den typischen Symptomen des Wurmbefalls. Die Haut des Dieners sah normal aus, war nicht gerötet und auf seiner Stirn fand sich kein Tropfen Schweiß.
»Ich wollte nur wissen, was du hier auf dem Dach machst«, sagte er und blieb dicht vor dem Mann stehen. »Die meisten Gäste sind doch unten.«
Der Diener zögerte keine Sekunde. »Das ist richtig, Sir, aber mein Vorgesetzter gab mir den Auftrag, die Schornsteine zu kontrollieren. Manchmal geraten Vögel hinein und blockieren den Abzug. Da wir diese Nacht viele hohe Gäste beherbergen, möchten wir Peinlichkeiten wie diese vermeiden.«
Er zeigte auf ein langes Seil in seiner Hand, an dem eine Kugel befestigt war. »Das verwenden wir für die Kontrolle, Sir.«
Matt griff nach dem Seil und berührte wie zufällig die Hand des Dieners. Sie war kühl, was aber nicht ungewöhnlich war, wenn der Mann sich seit geraumer Zeit in der Kälte aufhielt.
»Sehr interessant«, log er. »Ich danke dir.«
Der Diener verneigte sich. »Ich danke Euch für Euer Interesse an meiner Arbeit, Sir.«
Schleimer, dachte Matt und beobachtete, wie der Mann
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