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026 - Stadt der Untoten

026 - Stadt der Untoten

Titel: 026 - Stadt der Untoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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gleichzeitig von ihm erhört wurde. Das Volk war die einsame Gestalt, die in unsäglicher Hitze litt; das Volk war die sterbende verbrannte Frau in einem Gang; das Volk war der Wurm, der sich ins Eis bohrte und nach Kälte suchte.
    Anfangs war es nicht leicht gewesen, die Wesen zu übernehmen, die sich Menschen nannten. Ihr Verhalten war kompliziert und nicht rein vom Instinkt gesteuert, aber das Volk lernte. Es schickte Teile seiner selbst an die Oberfläche, um die Menschen zu beobachten, und war verstört, als es sah, wie viele es von ihnen gab.
    Der Instinkt zwang das Volk, sich harmlos zu geben und nur dann das Geschenk an die Menschen weiterzugeben, wenn die Gefahr einer Entdeckung gering war. In diesem ersten Stadium der Entwicklung war das Volk zu klein, um seine Macht zu zeigen.
    Doch jetzt war das Volk gefährdet. Die Menschen drangen in sein Territorium ein und töteten es, während andere es der Hitze aussetzten und Freude an seiner Pein hatten.
    Der Instinkt verlangte, dass das Volk handelte. Es musste wachsen, denn nur in der Masse gab es Sicherheit.
    Das Volk gehorchte dem Instinkt. Es schlug zurück.
    ***
    Samtha wickelte das schwere Deerfell um ihren Körper und drehte sich zum Feuer. Sie war satt und müde. Hokan hatte ihr ausnahmsweise gestattet, direkt am Feuer zu schlafen, wo sonst nur die Kinder und die alten Leute liegen durften. Samtha wusste diese Ehrung zu schätzen und hatte sie ohne Protest angenommen. In der unterirdischen Welt hatte man nur selten den Luxus, allein und in wohliger Wärme zu schlafen.
    In der Wohnhöhle kehrte langsam Ruhe ein. Die meisten Broodwejs hatten sich in ihre Schlafnischen zurückgezogen, nachdem Samtha ihre Geschichte beendet hatte. Am morgigen Tag, so hatte Hokan entschieden, wollten sie die anderen Stämme aufsuchen, um sie vor der Gefahr zu warnen. Samtha wäre am liebsten sofort gegangen, aber der Schamane hatte erklärt, dass die Omen für eine nächtliche Reise nicht gut stünden. Dem musste sie sich fügen.
    Samtha starrte in die Flammen und fühlte, wie ihre Augen langsam schwer wurden. Sie dachte ohne Bedauern an die Stadt, die sie an der Oberfläche zurückgelassen hatte. Die wenigen Stunden, an die sie sich dort erinnern konnte, verblassten bereits wie ein Traum.
    Müde drehte Samtha den Kopf zu der Eiswand, in der sich die Schlafnischen befanden. Sie lagen in tiefer Dunkelheit, waren nur als schwarze Schatten in der grünlichen Eisschicht zu sehen. In einer von ihnen lag Benn. Ihn hatte sie am meisten von allen vermisst. Samtha schloss die Augen, driftete langsam dem
    Schlaf entgegen und schrak hoch!
    Die Schlafnischen, dachte sie. Wo sind die Feuer, die vor ihnen brennen sollten, um die Kälte zu vertreiben?
    Sie sah erneut zur Eiswand, aber sie war ebenso dunkel wie zuvor. Samtha wusste, was ihren Stamm dazu bringen würde, die Feuer nicht zu entzünden, aber sie schreckte vor dem Gedanken zurück.
    Sie waren doch alle ganz normal gewesen. Keine Apathie, keine Verwirrung; all die Symptome, die Maddrax ihr geschildert hatte, waren ihr nicht aufgefallen. Hokan hatte sogar neben ihr am Feuer gesessen, das - wie Samtha erst jetzt bemerkte - kleiner war als bei den Broodwejs üblich. Konnte es wirklich sein, dass die Würmer sie getäuscht hatten?
    Ein Schatten glitt an ihr vorbei, dann ein zweiter. Im grünlichen Licht der Eiswände erkannte Samtha Eerin und Dewid, die sich im gleichen Moment umdrehten und mit raschen Schritten auf das Feuer zugingen. Beide waren nackt.
    Die junge Frau sprang auf, als sie es hinter sich knirschen hörte. Ohne dass sie Hokan bemerkt hatte, war es ihm gelungen, dicht an sie heranzukommen. Er machte einen Bogen um die Flammen und zog die Lippen hoch.
    Samtha erschauerte, als sie erkannte, dass das ein
    Lächeln sein sollte.
    »Wärme Tod«, krächzte der Schamane. »Kälte Leben.«
    Fadenartige Gebilde flössen aus seinen Mundwinkeln, lief en an den nackten Armen nach unten und sammelten sich an seinen ausgestreckten Händen. »Komm zurück.«
    »Nein!« Samtha schrie vor Entsetzen und warf das Deerfell in die Flammen. Es fing sofort Feuer. Mit einer Hand hielt sie es fest, schwenkte es um sich herum. Brennende Fetzen flogen auf die Broodwejs zu, die vor der Hitze zurückwichen. Erst als das Fell ihr die Finger zu verbrennen drohte, schleuderte sie es dem Schamanen entgegen und rannte los.
    Das erschreckende Gefühl, schon einmal diese Situation erlebt zu haben, lahmte Samtha beinahe, als sie in den Gang

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