0261 - Im Bann der Tiermenschen
notfalls zu folgen und herauszuhauen, wenn irgend etwas schiefgeht. Du hast doch noch deine Zimmerflak mit den Silberkugeln?«
Bill nickte.
»Sollte sich hier oben etwas Unerwartetes abspielen und zur Gefahr werden, gibst du Signal«, sagte Zamorra. »Hupen, Schießen, Lichtsignale übers Wasser… dir fällt schon etwas ein. Uns auch, falls bei uns etwas schiefgeht. Derweil werden wir da unten aufräumen. Nici… du hast Kontakt zur Hexe?«
Nicole schüttelte den Kopf. »Sie hat mich wohl aufgegeben und abgeblockt. Da ist nichts.«
Zamorra nickte. »Das ist vielleicht gut. Bist du fertig?«
Sie griff nach dem Schlauch der Aqualunge, die sie sich wie Zamorra auf den Rücken geschnallt hatte, und nahm das Mundstück zwischen die Zähne. »Alles klar«, preßte sie hervor.
Bill trug jetzt ebenfalls den Gummi-Anzug, hatte die Luftflasche aber noch beiseitegestellt. Er sah Zamorra an.
»Denkst du eigentlich noch an das Ding, für das wir überhaupt hierhergekommen sind?« fragte er plötzlich. »An diesen Druidenstein?«
»Pausenlos«, sagte Zamorra. Er faßte nach Nicoles Hand, zog sich die Schutzbrille vor Augen und Nase und tappte dem Wasser entgegen. Das Schwert hing an seinem Gürtel als schweres Gewicht. Die Klinge funkelte im Mond- und Sternenlicht.
Bill sah die beiden Freunde untertauchen. Die Wasseroberfläche schloß sich über ihnen. Die regelmäßig und dann mit wachsender Tiefe langsamer oben zersprühenden Luftblasen waren das letzte Lebenszeichen, und sie entfernten sich mehr und mehr vom Ufer, bis auch sie Bills Sicht entschwanden.
Der Amerikaner fühlte sich allein äußerst unbehaglich. Die Dunkelheit beschlich ihn wie ein Raubtier. Er wünschte sich, mit den beiden anderen in die Tiefe gegangen zu sein, was immer auch dort an Gefahren auf sie lauerte. Er brauchte Beschäftigung. Das Warten hier draußen machte ihn nervös.
Er war beunruhigt. Er wünschte sich, etwas tim zu können.
Plötzlich meinte er, daß es dunkler wurde. Konnte eine Nacht denn noch dunkler werden als dunkel?
Sie konnte.
Mit unheimlichen Geisterfingem kroch die Schwärze heran und ließ die Sterne am Nachthimmel verschwinden.
Unwillkürlich sah Bill auf seine Uhr.
Mitternacht.
Die Lia Fail kam…
***
Der Weg in die Tiefe dauerte länger als erwartet. Zamorra wußte zwar, daß das Versteck der Hexe sehr tief lag, aber wie tief wirklich, damit hatte er nicht gerechnet. Der See schien ein abgrundtiefes Loch zu sein, das direkt in den Schlund der Hölle führte.
Es ging nur langsam abwärts. Zamorra und Nicole mußten sich den in der Tiefe herrschenden Druckverhältnissen langsam anpassen. Je tiefer sie kamen, um so stärker wurde in Zamorra die Befürchtung, daß ihre Taucheranzüge nicht ausreichen würden. Die waren für Tiefen bis zu fünfzehn oder zwanzig Metern gedacht, hier aber war immer noch kein Ende abzusehen. Das kalte Wasser preßte sich um die beiden Menschen wie Stahlklammem.
Eine Verständigung war nur durch Lichtzeichen mit den kleinen Lampen möglich, aber beide verzichteten darauf, sie jetzt schon einzusetzen. Sie wollten ihre Annäherung nicht früher als eben nötig verraten.
Der Druckausgleich begann Zamorra Sorgen zu machen. Im Innern des Hexenverstecks herrschte normaler Luftdruck wie an der Oberfläche. Was, wenn sie beide jetzt eindrangen, aber an den erhöhten Wasserdruck angepaßt waren und sich nicht so schnell umstellen konnten? Und der Übergang würde sehr rasch vonstatten gehen!
Zamorra hatte einmal gesehen, wie ein Taucher starb, der zu rasch aufstieg. Sein Blut begann zu kochen. Es war nicht schön gewesen. Dieser Übergang würde aber noch weitaus schneller vonstattengehen als ein zu rasches Auftauchen.
Gerade wollte er sich zum Rückzug entschließen, als er eine feste Wand unter sich berührte. Das Dach der großen Kuppel?
Er streckte die Hand nach Nicole aus, die direkt neben ihm schwamm, berührte sie und hielt sie an. Dann tastete er die feste Barriere ab.
Er überlegte. Sollte er es riskieren, durchzubrechen? Wahrscheinlich würde ihn der niedrige Druck im Innern sofort töten. Oder…?
Er stieß mit spitzen Fingern gegen die Barriere und fühlte, wie seine Hand eindrang. Die Haut kribbelte. Es war ein eigenartiges Gefühl, während ihm wärmer wurde.
Der Druck um die Hand wich, während er tiefer vorstieß. Es schmerzte leicht, war aber zu ertragen.
Eine gleitende Druckveränderung?
Er zögerte immer noch. Er konnte durch die Barriere stoßen, das war jetzt klar.
Weitere Kostenlose Bücher