0262 - Belphégors Höllentunnel
seinen Arm, so daß der Peitschenriemen zur Seite schnellen konnte.
Noch in der Bewegung geschah es. Plötzlich wurde aus dem Riemen eine Flamme, die zuerst hoch zuckte und sich wenig später in einen armlangen Strahl verwandelte, der tanzend über den Boden glitt und ihn mit seinem Widerschein erhellte.
Bisher hatte der Verwandelte noch nicht gesehen, aus welchem Material der Boden bestand, nun aber sah er es. Abermals war er überrascht, als er feststellte, daß er sich auf einem gläsernen Untergrund bewegte.
Diesmal war es kein Spiegel, sondern schlichtes Glas, und das ließ den Blick in die Tiefe zu.
Allerdings nur so weit, wie auch der Widerschein des Feuers reichte.
Irgendwann verschmolz er mit einer Dunkelheit.
Jean Leduc wunderte sich über nichts mehr. Er machte sich auch keine Gedanken darüber, wie es möglich war, daß eine Flammenzunge die Peitsche verlassen konnte.
Er nahm alles hin. Die äußere Umgebung und seine Veränderung, denn er sah sich nun besser im Spiegel. Vom Flammenschein der Peitsche umhüllt, war er stehengeblieben und schaute sich an.
Ein Monstrum blickte ihm entgegen.
Ein verbrannter, dennoch lebender Mensch!
Wo früher Haut gewesen war, war nur noch eine schwarze Fläche, die jemand mit Kohle gefärbt zu haben schien. Seine dunkelblonden Haare waren nicht mehr vorhanden, die Ohren zeigten sich als Klumpen, die Nase ebenfalls, das Gesicht war flach geworden, und als er das öffnete, was einmal ein normaler Mund gewesen war, da entstand innerhalb des schwarzen Gesichts eine rosafarbene Höhle.
Er sah durch seine Augen. Sie waren noch vorhanden, doch sie hatten sich verändert.
Waren es Kristalle?
Fast kam es ihm so vor. Außerdem schimmerten sie in einem seltsamen Blau, das irgendwie kalt und gnadenlos zu sein schien. Es zeigte sich so groß wie normale Pupillen, allerdings weniger glatt, denn seine Augen schienen einen Facettenschliff bekommen zu haben, damit es möglich war, daß sie diese Kälte ausströmten.
Er lachte.
Jean Leduc schüttelte sich dabei, und er freute sich, daß er so aussah.
Ihm machte es nichts aus. Spielerisch leicht bewegte er seine rechte Hand mit der Peitsche, schlug feurige Ringe in die Luft, fabrizierte Fragezeichen und dachte nicht mehr daran, daß er einmal ein normaler Mensch gewesen war.
Jetzt gehörte er einem anderen!
Als er über sich das Knacken und gleichzeitige Rauschen vernahm, zuckte er zusammen und schielte gegen die seltsame Spiegeldecke mit ihrer blaudunklen Fläche.
Nichts hatte sich verändert. Von ihm war nur das seltsame Geräusch wahrgenommen worden, dessen Bedeutung er Sekunden später erfuhr.
Die Töne waren aus einem Lautsprecher gedrungen, aus dem im nächsten Moment eine blechern klingende Stimme schallte und ihn begrüßte.
»Willkommen bei den Flammenbrüdern!« hörte er das menschliche Stimmorgan. »Du bist der fünfte, den wir uns ausgesucht haben, und du wirst nicht der letzte sein, aber du hast die ehrenvolle Aufgabe, mit uns zusammen die anderen herbeizutreiben.«
Leduc ging ein paar Schritte nach hinten. Er glaubte, so besser sehen zu können, irrte sich jedoch. Seine Frage hielt er nicht zurück. »Was hat das zu bedeuten?«
»Wir sind eine Bruderschaft, die einem Dämon dient, der es zu einer großen Macht gebracht hat und sie auch weiterhin behalten will, obwohl er einmal geschlagen worden ist. Ich habe ihm die Chance gegeben, sich neu zu formieren, und er hat diese Chance genutzt. Aus der Erde kam er, in die Erde wurde er zurückgeschmettert, aber er ist nicht getötet worden und wartete auf einen günstigen Moment. Der ist nun gekommen. Wir werden ihn hervorholen aus seinem Abseits und die ersten großen Diener sein. Die magischen Flammen halten uns zusammen. Es sind die. Peitsche und der Gedanke an ihn, die uns verbinden. Deshalb rate ich dir, die Peitsche niemals aus der Hand zu geben, denn sie ist deine wichtigste Waffe. Du hast die Verwandlung erlebt, hast das Feuer des Dämons zu spüren bekommen, und damit wurden dir sein Atem und sein dämonisches Leben eingehaucht. Bis zu deiner Vernichtung bist du an ihn gekettet und wirst dafür Sorge tragen, daß er neue Diener bekommt und seine Feinde vernichtet werden.«
Jean Leduc hatte zugehört. Er saugte die Worte regelrecht auf. Sie waren Balsam für ihn, aber er wußte noch immer nicht, welchem Dämon er eigentlich diente.
»Hast du bisher alles verstanden?« wurde er gefragt.
»Ja, das habe ich. Aber ich möchte gern wissen, wem ich diene
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