0262 - Leonardos Knochenhorde
nicht ganz!
Warum will ich nicht, daß er stirbt? fragte sich Leonardo und lauschte in sich hinein, ob eine innere Stimme Antwort wußte. Aber er kannte diese Antwort auch so. Weil der Wolf das einzige Wesen war, das sich freiwillig bei ihm aufhielt, das zu ihm hielt, weil es vom gleichen Schlage war.
Er ahnte nicht, wie sehr er sich täuschte! Die Barriere, die Martin in Fenrir errichtet hatte, hielt auch in dieser Situation!
»Du wirst nicht sterben, Wolf«, flüsterte Leonardo. Beide Hände legte er auf die Verletzung. Eine dunkle Kraft strömte aus ihnen hervor. Leonardo, der Meister der Magie, konnte töten, aber er konnte auch heilen! Das Amulett, das am silbernen Halskettchen vor seiner Brust hing, glühte leicht auf, als verschiedene Arten der Magie zusammenfanden und auf Fenrir einwirkten.
Die Wunde begann sich zu schließen, Körperzellen wurden in rasender Eile erneuert, zerstörte Verbindungen wuchsen wieder zusammen. Das Knochenmark erzeugte in rasender Eile rote Blutkörper.
Die Kraft, die dazu nötig war und die ausgereicht hätte, bei diesem Wachstumstempo einen gesunden Wolf zu töten, kam von Leonardo.
Er schuf keinen Zombie-Wolf aus einem Kadaver. Er verstärkte nur die noch vorhandenen schwachen Lebensimpulse und erneuerte sie. Fenrir nahm keinen Schaden.
Leonardo ahnte nicht, daß er einen seiner größten Feinde heilte. Obgleich er doch von Asmodis wußte, daß ein Wolf zum Zamorra-Team gehörte, kam er nicht auf diesen Gedanken.
Für ihn war Fenrir sein einziger Freund.
Und der Montagne, der absolute Meister und Beherrscher der schwärzesten nur denkbaren Magie, rettete dem Wolf das Leben…
***
»Was wirst du tun, chérie?« fragte Nicole, nachdem der Kontakt abbrach. Gryf hatte ihn mit verfolgt und für sie übersetzt. Einen Hauch davon hatte sie selbst auch gespürt, ohne Einzelheiten zu erfassen. Sie wußte nur, daß da etwas war, ohne es zu erkennen. Eine Folge ihrer vor einiger Zeit erfolgten Blutveränderung. Etwas von der Magie war damals in ihr zurückgeblieben und hatte sie empfindbar und empfänglicher gegenüber übersinnlichen Erscheinungen werden lassen.
»Was wohl?« knurrte Zamorra. »Wir fahren zu Moni, knacken mit unserem Zauberpulver die Abschirmungen und erschlagen Leonardo. Was sonst? Ich schätze, daß das Schwert Gwaiyur diesmal auf meiner Seite steht, und dagegen hat Leonardo nichts zu bestellen.«
»Und wenn er das Amulett gegen dich einsetzt?« gab Gryf zu bedenken.
»Dann wird mir sicherlich etwas einfallen«, sagte Zamorra. »Selbst, wenn alles andere dagegen stünde -ich kann doch die beiden Mädchen nicht im Stich lassen. Gryf, du müßtest dich dann ein wenig um dieses Gift kümmern. Vielleicht kennt Merlin ein Gegenmittel«
»Das ist zu bezweifeln«, gab der Druide zu bedenken. »Vergiß nicht, daß Merlin schon einmal eine Niederlage gegen Leonardo einkassierte. Was der alte Fuchs ausbrütet, sei es Magie oder Gift, ist hundertprozentig sicher. Todsicher, du weißt selbst, daß Merlin nur knapp überlebte und halb Caermardhin zerstört wurde!«
Zamorra nickte. Er hatte die Verwüstungen selbst gesehen, und sie gefielen ihm gar nicht. Und damals hatte Leonardo das Amulett noch nicht besessen! Wie stark mochte er dann erst jetzt sein!
Zamorra drosch den schweren Wagen wieder vorwärts. Kurz nach Mitternacht erreichte er das kleine Dorf nahe der Kleinstadt Feurs, und er sah Château Montagne als dunklen Schattenriß am Nachthimmel. Ein so vertrautes Bild - und doch war es jetzt nur feindlich!
Hier regierte die Hölle.
Zamorra war sicher, daß Leonardos nächtliche Wächter das Auftauchen des Wagens längst bemerkt und gemeldet hatten. Aber wußten sie auch, wer sich in dem Mercedes befand?
Sie konnten Zamorra selbst nicht spüren, und bei Nacht sind alle Katzen grau…
***
Fenrir erwachte, und er sah vor sich den Knochenthron, in dem Leonardo hockte. Die bösartige, fette Kröte in Menschengestalt schien niemals Schlaf zu benötigen. Draußen war es dunkel, und Tausende von Kerzen erhellten den Thronsaal.
Fenrir hob den Kopf.
Ich muß tot sein! durchfuhr es ihn. Jemand hat auf mich geschossen! Ich habe viel Blut verloren! Das Rückgrat ist verletzt…
Aber er konnte sich erheben. Es gab keinen Schmerz mehr, keine Wunde.
Leonardo kicherte leise. »Ich habe dich geheilt, Wolf. Es war gerade noch zur rechten Zeit. Du lebst weiter, denn es ist für dich noch nicht die rechte Zeit, zu sterben. Doch du wurdest würdig gerächt. Hier ruht jener,
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