0263 - Wenn die Totengeister schreien
nützt ihm das effektiv? Und uns?« fragte Pickford.
»Ich habe Zeit, Leonardo anzutreffen«, sagte Zamorra. Er nickte Nicole zu. »Ich muß es tun, weil es die einzige Chance ist. Gryf zu helfen. Mit dem Amulett könnte ich es vielleicht. Aber dazu muß ich es ihm abnehmen. Besiege ich ihn, kann ich Gryf helfen. Gewinnt Leonardo - ist Gryf so oder so tot, wie wir alle.«
Nicole nickte.
»Versuchen wir es«, sagte sie. »Aber… glaubst du, daß du wirklich eine Chance hast? Das Amulett gehorcht ihm, nicht dir.«
Zamorra lächelte. »Ich habe da eine Idee. Ich werde sie dir mitteilen, wenn es soweit ist. Jetzt nicht.« Er warf einen Blick auf den Butler.
Nicole verstand.
Zamorra und sie waren in der Lage, ihre Gedanken abzuschirmen. Leonardo konnte sie nicht lesen. Aber Pickford war ihm in dieser Hinsicht ausgeliefert. Wenn Leonardo in seinen Gedanken las, was Zamorra vorhatte, konnte er seinen Plan zunichte machen.
»Holen Sie endlich die Decken und Kissen«, fuhr Zamorra den immer noch sprachlosen Pickford an. Dann rannte er selbst in Richtung des Hauses. Nicole blieb ein wenig ratlos zurück. Sie ahnte zwar dumpf, was Zamorra vorhatte, aber so ganz klar war es ihr noch nicht. Ihre Chancen, gegen Leonardo anzutreten, waren noch nie so schlecht gewesen wie jetzt. Sie waren nur zu zweit! Château Montagne hatten sie wenigstens in einem größeren Team erkämpfen können. Und selbst das war schwierig genug gewesen.
Nach ein paar endlosen Minuten kehrte Zamorra zurück. Er schwenkte eine Maske in der Hand und zog sie sich über den Kopf.
Fredericks Totenkopfmaske!
»Der Junge hat mich da auf eine Idee gebracht«, sagte Zamorra. »Ich denke, sie ist gar nicht so schlecht. Wir werden sehen, Hilfst du mir, Nici?«
Er sammelte die verrotteten Rüstungsteile eines zu Staub zerfallenen Skelett-Krieger auf und legte sie mit Nicoles Hilfe an. Es ekelte ihn zwar vor dem Fäulnisgestank, aber er wußte, daß er sich mit der Zeit daran gewöhnen würde. Er wog Gwaiyur in der Hand und Gryfs Silberstab und fand, daß er gut genug ausstaffiert war, um auf den ersten Blick für einen von Leonardos Skelett-Kriegern durchzugehen. Nicole steckte er die Kombiwaffe zu, die aus der möbius-’schen Hexenküche stammte.
Pickford trat ins Freie. Er erstarrte vor Entsetzen, als er den vermeintlichen Skelett-Krieger, sah.
»Erster Test bestanden«, schmunzelte Zamorra. »Wenn der Junge nicht seinen makabren Scherz gemacht hätte, um Carmen Visher zu erschrecken, wäre ich darauf gar nicht gekommen… Bist du bereit, Nici? Ich brauche dich dabei.«
Sie nickte stumm.
Er fühlte ihre Schwäche. Am liebsten wäre er allein gegangen, weil sie in ihrem Zustand jetzt für ihn nur eine Belastung war. Er mußte nicht nur sich, sondern auch sie schützen, bis er nahe genug an Leonardo heran war.
Aber dann brauchte er sie! Und deshalb mußte sie mit in die andere Welt.
Gemeinsam gingen sie auf das Loch zu, das noch immer brodelte.
Neben dem Wrack des Camaro tauchte eine Leiche auf. Sie schrie zweimal.
»Noch viermal, dann stirbt wieder jemand«, murmelte Zamorra. »Wer es wohl diesmal sein wird?«
Er hoffte, daß ihm genug Zeit blieb, auch diesen Spuk zu beenden, ehe es noch mehr Opfer gab. Dann stürzte er sich mit Niocle in den Schacht, der in die Unendlichkeit führte.
Dem Entscheidungskampf entgegen.
***
Sie landeten diesmal nicht in Finsternis. Es war alles anders. Nach der totalen Auflösung hatte Leonardo seiner neu entstehenden Scheinwelt ein anderes Aussehen gegeben, um seine Gegner zu verblüffen. Eine schwache, blaue Helligkeit erfüllte den Raum. Es war ein langgestreckter Korridor, der wie eine Röhre geformt war. Wände, Boden und Decke gingen ineinander über. In unregelmäßigen, aber dichten Abständen waren kopfgroße Öffnungen zu sehen.
»Vorsicht vor den Dingern«, murmelte Zamorra. »Die existieren nicht ohne Grund.«
Er versuchte sich zu orientieren. Welche der beiden Richtungen führte ihn zu Leonardo? Ein echter Skelett-Krieger hätte es auf Anhieb gewußt. Zamorra mußte raten.
Er beschloß, einfach seinem Gefühl zu folgen.
Nicole schlich neben ihm her. Sie konnte sich nur schlecht auf den Beinen halten. Die Schwäche fraß an ihr ebenso wie das Wissen, daß sie hier jederzeit in eine neue, ähnliche Falle tappen konnte. Und diesmal würde es keinen Gryf geben, der seine eigene Lebenskraft darin erschöpfte, alles in einer magischen Explosion zu zerstören.
Das war es auch, weshalb er sterben würde,
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