0264 - Das Schlangen-Monstrum
nicht zu hören war. Aber Zamorra nahm ihn in seinen Gedanken wahr.
Sirna starb.
Zamorra stützte sich auf den gesunden Arm. Er konnte die Augen nicht von dem grauenhaften Anblick wenden.
Hilf mir doch! Es tötet mich… der Schwur…, schrien Sirnas Gedanken in ihm. Aber er konnte ihr nicht helfen.
Er konnte nur zusehen.
Der Schlangenkörper verschwand, machte dem menschlichen Platz. Aber auch der verfiel zusehends. Die Haut wurde grau und faltig. Zamorra sah, wie sich das Fleisch darunter auflöste. Sirna schrie nicht mehr, bewegte sich auch nicht mehr. Kraftlos lag sie da, aber zum ersten Mal glaubte Zamorra in ihren Schlangenaugen Verzweiflung zu erkennen.
Er wollte ihr helfen, ihre Leiden beenden, aber er konnte es nicht…
Sie verfiel mehr und mehr, sank in sich zusammen wie eine schlaffe Hülle. Es dauerte höchstens zwei, drei Minuten, dann war es vorbei.
Entsetzt betrachtete Zamorra die Hülle. Das war alles, was von ihr übriggeblieben war. Sirnas Haut, die sich jetzt abermals veränderte und zur Schlangenhaut wurde. Aber innerhalb dieser Haut befand sich nichts mehr. Nicht einmal mehr das Skelett.
Zamorra kam auf die Knie. Er berührte die Schlangenhaut vorsichtig. Sie knisterte unter seinen Fingern wie Pergament.
Er sah zu Nicole hinüber. Sie erhob sich gerade taumelnd wieder. »Wie hast du das geschafft?« keuchte sie, das Schwert noch immer in der Hand. Zamorra versuchte an ihr eine Verletzung zu erkennen, aber sie schien den Kampf unbeschadet überstanden zu haben. Erleichtert atmete er auf.
Er kam taumelnd auf die Beine.
»Nichts«, sagte er. »Nichts habe ich getan. Ich glaube, ihr Eidbruch hat sie umgebracht. Die Gesetze der Magie sind grausam, und sie lassen sich nicht betrügen… Leonardo hat Sirna auf dem Gewissen. Sie sollte ihm meinen Kopf bringen.«
Nicole schluckte. »Er läßt auch nichts aus, wie?« murmelte sie. »Dein Verband ist aufgerissen. Du blutest.« Sie führte ihn zum Wagen zurück, wo sie den Verband erneuerte. »Ich bin gespannt, was als nächstes kommt«, sagte sie.
Zamorra zuckte mit den Schultern und verzog schmerzhaft das Gesicht. »Wir werden sehen«, orakelte er. Er war mehr als unzufrieden mit diesem Abenteuer. Sicher, die Schlangenhexe gab es nun nicht mehr; so bald würde es also kein Todesopfer mehr in der Tempelnähe geben. Aber dennoch hatte er einen faden Geschmack auf der Zunge. Alles war nahezu ohne sein Dazutun geschehen. Er war nur Statist gewesen, hatte selbst nichts ausrichten können. Aber Leonardo war nach wie vor hinter ihm her.
Zwei Schritte vorwärts, einer zurück. So kam er sich vor.
»Was machen wir mit dieser Schlangenhaut?« fragte Nicole. »Lassen wir sie dort vor der Höhle liegen?«
Sie ließen sie nicht. Sie gewährten ihr ein Begräbnis.
***
Der Schädel stellte seine Aktivitäten ein. Die Kraft, die in der Ferne wirkte, floß in ihn zurück und brachte das mit, was einst die Schlangenhexe Sima ausgemacht hatte. Das, was sie ihm sonst von den Opfern brachte, die sie schlug. Wie Marc Dougall. Bei ihm blieb das Skelett zurück. Bei Sirna die Schlangenhaut, denn sie war nicht menschlich.
Der rubinrote Schädel nahm alles in sich auf. Das Werk war getan, der Eidbruch bestraft. Düster glühte der rubinrote Schädel vor sich hin. Langsam schwanden die Risse. Die Bruchstücke schmolzen aneinander, wurden wieder zu einer Einheit.
Nur der Tempel war zerstört. Ihn konnte der Schädel nicht von sich aus wieder errichten. Er begann nach jemandem zu suchen, der diese Aufgabe übernehmen konnte. Doch bis er die geeignete Person fand, konnten Tage, Wochen, Jahre, Jahrhunderttausende vergehen.
Solange würde der Schädel für niemanden mehr eine Bedrohung sein. Denn er hatte mit sich selbst genug zu tun…
***
Gegen Abend des darauffolgenden Tages rollte der Land Rover in die Umzäunung der Station. Zamorra, der noch in der vergangenen Nacht auch Eve Gordan von dem hypnotischen Zwang befreite, legte die Stirn in Falten.
»Hier stimmt etwas nicht«, sagte er.
»Ist doch alles ruhig hier«, meinte Boyd Straker. »Was soll denn nicht stimmen? Die Leute sehen alle ziemlich normal aus.«
Zamorra verkniff sich die Bemerkung, daß Soldaten eigentlich niemals ein normaler Anblick sein konnten und durften - zumindest seiner Meinung nach. Er fragte sich, was die hier sollten. Vor wem sollten sie die Station schützen? Der Dschungel im Grenzgebiet war so dicht, daß nicht einmal die Mücken eine Invasion zu starten wagten. Afrika war zwar
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