0266 - Der Flammengürtel
Ihr Übermut ließ einen Plan in ihr reifen.
Sie wollte die beiden Kämpfer des Guten erschrecken .
Kein Gedanke daran, daß Zamorra und Aurelian vielleicht vor einem ihrer gefährlichsten Abenteuer standen. Regina Stubbe war viel zu sehr vom Jagdfieber gepackt, als daß sie sich darüber gewundert hätte, daß niemand ihre Annäherung bemerkte. Auch hörte sie nicht die leisen Worte, die den Lippen Professor Zamorras entflossen, während der rote Stein an seinem Ring wie geschmolzenes Feuer aufglühte.
» Analh natrac’h – ut vas bethat…! «
»Juhu! Zamorra! Rate mal, wer hier ist!« klang die helle Mädchenstimme. Der Meister des Übersinnlichen spürte, wie zwei schlanke Arme ihn von hinten umklammerten. Aurelian wurde bleich wie der Tod.
Der Spruch Merlins ließ sich nicht mehr aufhalten …
» … doc’h nyell yen vve! « formten Zamorras Lippen die Worte, noch ehe er sich bewußt wurde, daß durch das hinzugekommene menschliche Wesen das Gefüge erschüttert wurde, daß sie seit der ersten Silbe des Spruches umgab.
» Fehlsprung! « signalisierte sein Hirn.
Dann rissen die Wirbel der Zeit die drei Menschen mit sich.
***
»Wir sind nicht in der Zeit, in die wir wollten!« brüllte Aurelian. »Wir sind in Rom – im brennenden Rom des Kaiser Nero! «
»Dann sind wir verloren!« rief Professor Zamorra. »Die Stadt ist ein einziges Flammenmeer. Wohin sollen wir fliehen?«
»Ich will nicht sterben!« jammerte Regina Stubbe, die den Wechsel in eine andere Zeit überhaupt nicht begreifen konnte. Eben hatte sie noch einen Scherz gemacht – und nun loderten himmelansteigende Flammen um sie herum.
»Du wirst nicht sterben!« erklärte Aurelian und ergriff ihre Hand. »Doch du mußt jetzt ganz tapfer sein. Wir müssen schnell rennen. Kannst du das?«
Obwohl ihre Stimme im Schluchzen erstickte, nickte Regina.
»Wir müssen zum Tiber durchkommen!« erklärte Zamorra, der sich zu orientieren versuchte. »Wir müssen unsere Hände fassen. So halten wir Kontakt und können uns gegenseitig helfen!«
»Dort entlang!« wies Aurelian den Weg. Beide nahmen das Mädchen in die Mitte. So schnell sie konnten, rannten sie los. Da – dort war eine Lücke zwischen zwei emporlodernen Flammenwänden.
Eine Gasse, rechts und links von zwei mehrgeschossigen Mietshäusern flankiert. Die meisten Häuser im antiken Rom waren aus Holz und Lehm gebaut. Die Hitze des Sommers und das hohe Alter ließen das Holz ausdörren und wie Zunder brennen.
Rom war schon von vielen Brandkatastrophen heimgesucht worden. Doch keine war so fürchterlich in ihrem Ausmaß und blieb so nachhaltig in der Erinnerung der Menschen erhalten als jener Brand, der am 19. Juli 64 nach der Zeitwende ausbrach, fünf Tage und fünf Nächte tobte und zwei Drittel der Stadt verwüstete.
Hitze wie aus dem Herzen eines Vulkans waberte ihnen entgegen. Aus den Tür- und Fensteröffnungen der Häuser fraßen sich Brände.
»Durch! Wir müssen durch!« überschrie Zamorra das Rauschen der Flammen. »Dahinter muß der Fluß sein und…!«
Den Satz abbrechend, wollte er vorstürmen. Doch da erscholl über ihren Köpfen ein fürchterliches Knistern und Prasseln. Nach oben sehend erkannte Aurelian, daß sich beide Häuserwände langsam herabsenkten. Wie in Zeitlupe stürzte glühendes Gestein und brennende Balken nach unten.
»Zurück! Zurück!« schrie er außer sich. Regina Stubbe schrie auf, als sie zwischen den beiden Männern hin- und hergerissen wurde. Aurelian setzte alles auf eine Karte. Er ließ den Arm des Mädchens los. Professor Zamorra stürzte nach vorn, als der Widerstand nachließ. Kreischend segelte Regina Stubbe über ihn hinweg.
Sofort war Aurelian da. Bevor der rotglühende Tod den Erdboden erreichte, aktivierte der ehemalige Pater ungeheuerliche Kräfte.
Regina Stubbe fühlte, wie sie an den Beinen zurückgerissen wurde. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Aurelian zu Zamorra stürzte und ihn an den Schultern zurückriß.
Im nächsten Augenblick brachen die beiden Häuserwände mit Donnergetöse zusammen. Die berstenden Häuser sorgten für eine Kettenreaktion. Ganze Häuserzeilen gerieten ins Wanken.
»Der Weg zum Fluß ist versperrt!« rief Zamorra, als er die Lage übersah. »Ich danke dir Freund. Aber deine Rettung schiebt das Ende nur auf.«
»Ich kenne mein Rom besser als du und weiß, welche Bauwerke vom Feuer nicht erfaßt wurden«, erklärte Aurelian. »Ich weiß, es ist Wahnsinn – aber unsere einzige Chance. Wenn wir in
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