0266 - Der Grachten-Teufel
Ein paar Pfannkuchen waren noch übrig.
Sie hatte sie am vergangenen Tag gebacken und mit Apfelscheiben garniert.
Einen Pfannkuchen würgte sie hinunter. Dazu trank sie Mineralwasser.
Beides schmeckte nicht.
Draußen war es jetzt dunkel. Da sie in der Küche saß, konnte sie auch auf den Gehsteig schauen. Die Straßenlaternen brannten bereits. Es waren die hohen Bogenleuchten, deren Lichtschein große Kreise auf den Boden malte.
Zwei Autos fuhren vorbei. In dieser stillen Straße rollten meist nur die Wagen der Anlieger.
Carla beschloß, ins Bett zu gehen. Sie wollte noch etwas lesen, vielleicht lenkte sie das ab. Einen historischen Liebesroman hatte sie sich vorgenommen. Das Buch umfaßte einige hundert Seiten. Eine Woche würde sie bestimmt darin lesen.
Carla streifte das dünne Nachthemd über und begab sich in ihre Kammer mit den schrägen Wänden und der holzvertäfelten Decke. Die Fenster waren nicht sehr groß. Sie spürte jetzt noch die Wärme des Tages. Die Sonne hatte das Zimmer aufgeheizt, und so schnell kühlte es nicht ab.
Carla knipste nur die Nachttischlampe an.
Der milde Schein breitete sich nicht nur im Raum aus, er fiel auch auf das ausgebreitete Buch. Das erste Kapitel hatte sie bereits gelesen, sie nahm sich das zweite vor, doch nach wenigen Seiten legte sie das Buch weg. Es war ihr einfach nicht möglich, sich auf das Geschriebene zu konzentrieren. Zu sehr spukten die Ereignisse des Tages noch in ihrem Kopf herum.
Und nun merkte sie auch, daß es innerhalb des Hauses nicht so ruhig war, wie sie angenommen hatte. Irgendwelche Geräusche gab es immer. Und wenn es nur ein Knacken war oder das Summen des Kühlschranks unten in der Küche.
Dann schlug die kleine Wanduhr an. Zehn Schläge.
Noch zwei Stunden bis Mitternacht…
Seltsam, welche Gedanken da auf einmal kamen. Carla hatte über so etwas nie nachgedacht, jetzt erinnerte sie sich an die Tageswende, auch Geisterstunde genannt.
Etwas rann kalt über ihren Rücken. Gleichzeitig begann sie zu schwitzen. Die Unruhe und die Angst ließen sich einfach nicht wegleugnen, und es gelang ihr auch nicht, Schlaf zu finden.
Zu oft dachte sie an die Schrecken.
Allmählich erstarben auch die Geräusche von der Straße. Es fuhr kein Wagen mehr vorbei. Letzte Nachzügler waren ebenfalls nach Hause gekommen, die Nachtruhe hielt die kleine Straße umfangen.
Je stiller es wurde, um so stärker wurden die Nerven der 21jährigen Holländerin beansprucht.
Jetzt lauschte sie auf jedes Geräusch, sie wartete förmlich darauf und war auf gewisse Art und Weise enttäuscht, wenn sich nichts tat.
Noch blieb die Ruhe…
Wieder verging Zeit. Carla überlegte, ob sie auch alles abgeschossen hatte. Sie führte eine geistige Hausinspektion durch, begann im Keller, und ihr Gedankengang endete erst unter dem Dach.
Eigentlich war alles klar.
Aber nur eigentlich…
Carla wollte es jetzt genau wissen und schwang ihre Beine aus dem Bett. Die Füße rutschten in die offenen Pantoffeln. Auf leisen Sohlen schlich sie zur Tür und schaltete in der oberen kleinen Diele die Beleuchtung an. Das vertraute Licht gab ihr ein wenig Sicherheit. Sie schaute in jedes Zimmer.
Bis auf das im Bad, waren die Fenster überall geschlossen. Letzteres stand auf Kippe. Sie hatte die Duschfeuchtigkeit hinauslassen wollen.
Carla schloß das Fenster, denn nun fühlte sie sich ein wenig sicherer.
Allerdings wollte sie noch die unteren Räume durchsehen, und sie ging die schmale Treppe hinab.
Überlaut kamen ihr die eigenen Schritte vor, und sie erschrak. Später hatte sie sich daran gewöhnt, erreichte die unteren Räume, schaute in der Küche nach, war beruhigt, daß dort nichts zu finden war und betrat dann den Wohnraum.
Eigentlich fürchtete sie sich nur vor alten Häusern oder düsteren Ruinen.
Sie hätte nie gedacht, daß ein modernes Einfamilienhaus ihr ebenfalls diese Furcht eingeben konnte. Besonders dann nicht, wenn alles vertraut war.
In der Dunkelheit kamen ihr die Möbel seltsam fremd vor. Sie machte auch kein Licht, sondern ging auf die Terrassentür zu, um die Außenbeleuchtung einzuschalten.
Die Lampe gab zwar Helligkeit, sie leuchtete jedoch nicht den gesamten Garten aus, sondern blieb begrenzt.
Der größte Teil lag im Schatten.
Und was das plötzlich für Schatten waren. Die kleine Hecke an der rechten Seite schien zu einer unheimlichen Mauer geworden zu sein. Die Ginsterbüsche hatten gefährliche Arme bekommen, die nach ihr zu greifen schienen, wenn der Wind
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