0266 - Der Grachten-Teufel
Unterbewußtsein merkte ich, daß sich etwas verändert hatte.
Vielleicht lag es auch an der Wärme des Wassers, die Temperatur war nicht mehr die gleiche. Ich führte Schwimmbewegungen durch, hatte plötzlich Platz, kam nach oben, riß den Mund auf, holte Luft, Luft und Luft…
Ich befand mich innerhalb des Kanals, war aber nicht allein, sondern zusammen mit Kraal.
Ihn hatte es ebenfalls aus der Röhre getrieben. Himmelhoch wuchs er vor mir auf. Die Arme, die Stempeln glichen, konnten mich mit einem Hieb zerschmettern, und zwischen ihnen waberte und zitterte die geleeartige Masse.
Etwas jedoch war anders.
Ich sah es, nachdem Sukos Schrei aufgeklungen war.
Suko stand wieder auf dem Kahn. Das war es nicht, was mich von den Socken haute, sondern etwas anderes, Unglaubliches…
***
Auch Suko war, als das Wehr brach, von der Gewalt des strömendes Wasser zurückgedreht worden. Er konnte ebenfalls nichts daran ändern, so sehr er sich auch bemühte. Die Kräfte der entfesselten Natur waren zu stark.
Einem Spielball gleich katapultierte die Strömung Suko aus der Röhrenöffnung und hinein in den offenen Kanal, wo auch das Schiff lag.
Dann hatte der Inspektor Glück. Er wurde gegen das Heck geschleudert und genau dort, wo auch in der Nähe das Tau von Bord hing.
Reflexartig griff Suko zu. Er bekam es zwischen die Finger. Die Strömung war hier nicht mehr so konzentriert, sie verteilte sich mehr, und dem Chinesen gelang es tatsächlich, gegen sie anzukommen.
Er hangelte sich an Bord.
Noch nie im Leben war er so schnell ein Tau hochgeklettert, aber er schaffte es, entkam dem Horror und damit vorläufig auch dem gewaltigen Kraal, den die Gewalt des Wassers so zusammengepreßt hatte, daß er durch die enge Röhre in den Kanal gedrückt werden konnte.
Auch seinen Freund John Sinclair sah der Inspektor, konnte jedoch nicht erkennen, ob er noch lebte, zudem wurde sein Blick auch von einer anderen Gestalt abgelenkt, die sich ebenfalls an Bord des Schiffes aufhielt und die Suko erst jetzt bemerkte.
Es war der Eiserne Engel!
Selten hatte man einen so erstaunten Suko gesehen. Er wollte etwas sagen, doch der Eiserne schüttelte nur den Kopf. »Willst du ihn töten?« fragte er.
»Ja!«
»Dann nimm es!«
Der Eiserne warf sein Schwert.
Blitzschnell riß der Inspektor die Arme hoch, bekam die Waffe zu packen, drehte sich, nahm einen Anlauf von zwei Schritten und sprang mit einem gewaltigen Satz über die Reling, wobei er einen gellenden Schrei ausstieß…
***
Ich hörte den Schrei, riß den Kopf herum und sah Suko mit dem Schwert in der Hand.
Er hatte die Aufgabe des Eisernen Engels übernommen. Der Freund sprang in einem hohen Bogen über mich hinweg. Was er da machte, war lebensgefährlich, aber er setzte in diesen Augenblicken alles auf eine Karte, um das Monstrum zu vernichten.
Suko hatte den Sprung so angesetzt, daß er genau zwischen den beiden Armen in der gallertartigen Masse landen würde. Aber er mußte schnell sein, denn Kraal konnte ihn noch mit seinen Pranken mitten in der Luft erwischen.
Suko war schnell.
Er neigte sich noch nach vorn. Die Spitze des Schwerts zielte genau auf die widerliche Masse, und einen Atemzug später drang sie fast bis zum Heft hinein.
Es war wie ein Blitzschlag.
Plötzlich veränderte sich die Luft. Eine gewaltige Wassersäule stieg himmelan, sie rötete sich, gleichzeitig schimmerte sie grünlich, und die mörderischen Pranken des Monstrums wurden zerrissen. In zahlreichen Stücken klatschten sie in den Kanal, wobei sie sofort untergingen und eins wurden mit der zerlaufenden, gallertartigen Körpermasse des unheimlichen Monstrums.
Auch ich bekam meinen Teil mit. Wieder verschwand ich unter den kochenden Wellen, wurde zum Spielball des Wassers, aber es spülte mich hinein in ruhiges Gewässer, und ich fand sogar eine Kanalleiter, an deren Sprossen ich mich festklammern konnte.
An mir vorbei trieben die sich langsam auflösenden Reste des Urzeitmonstrums.
Kraal war vernichtet!
***
An Wunder wollte ich eigentlich nie so recht glauben. Daß der Eiserne Engel erschienen war, galt für mich als kleines Wunder, obwohl er uns vom Gegenteil überzeugte.
Noch naß und völlig erschöpft hörten wir seine Geschichte.
Gerettet hatte uns das magische Pendel. Es zeigte an, wenn sich in den Tiefen der Erde etwas tat, wenn es dort magische Bewegungen und Strömungen gab, und der Eiserne lag immer auf der Lauer. Sein Pendel reagierte wie ein Seismograph. Es hatte ihm angezeigt, wo
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