0268 - Wikkas Rache
Singsang schallte mir entgegen. Es hörte sich an wie das Leiern eines Totenliedes, und plötzlich schälten sich vor mir aus den grünen Dunststreifen unheimlich anzusehende Gestalten.
Flieh, wenn sich die Gräber öffnen! Das hatte man mir gesagt. Mit den Gräbern mußte der Sumpf gemeint sein, und er hatte sich geöffnet, um die schrecklichen Gestalten zu entlassen, denen ich nun entgegenging.
Aber ich sah noch mehr.
Links von mir und nicht so weit entfernt wie die Gestalten, hörte ich die dumpf klingenden Schreie. Ich sah auch die heftigen Bewegungen, die darauf schließen ließen, daß sich jemand gegen einen anderen wehrte.
Sofort wußte ich Bescheid.
Hier kämpfte die Person, die auch so gellend um Hilfe geschrien hatte. Und sie war noch am Leben.
Aber sie befand sich nicht mehr auf dem Weg, sondern abseits von ihm, schon im Sumpf.
Und da kam ich nicht hin!
Ich nahm jetzt keine Rücksicht mehr. Sollten die anderen mich sehen, das Leben des normalen Menschen war wichtiger. Meine Beretta schien mir in die Hand zu fliegen, und ich brauchte nur wenige Schritte, um den Schauplatz des Geschehens zu erreichen. Am Wegrand stand ich. Von der linken Seite her näherten sich die Hexen-Zombies, und etwa zwei bis drei Yards vor mir sah ich die beiden Gestalten, wobei die eine die andere umklammert hielt.
»Laß sie los!« brüllte ich verzweifelt.
Dieser Ruf wurde gehört. Es war der Mann, der sich umdrehte und mir sein Gesicht zuwandte.
Es war finster. Hinzu kam der Dunst. Nur der aus dem Sumpf steigende grüne Schein gab ein wenig Helligkeit. Sie jedoch reichte aus, um den Mann erkennen zu können.
Es traf mich hart.
Denn derjenige, der die Frau umklammert hielt, war mir bekannt. Ich hatte schon in Blackmoor mit ihm gesprochen. Angeblich hatten sie ihn Mason Cordtland geopfert.
Jetzt war er als Zombie zurückgekommen.
Bing Cordtland!
***
»Was ist los?«
Irgend jemand hatte die Frage gestellt, und Suko hob nur die Schultern. »Sie sind da!«
»Wer?«
»Diese Wikka!« rief der alte Spiker.
Suko nickte. »Ja, genau. Wikka ist da, und sie wird auch Verstärkung mitgebracht haben.«
»Mein Gott, was machen wir jetzt?« Eine Frau rief es voller Panik. Ihre Stimme hallte durch die Kirche.
Da konnte ihr Suko auch keinen Rat geben, aber er hatte auch etwas anderes gesehen, über das er nachdenken wollte. Um sich davon zu überzeugen, öffnete er die Tür abermals und peilte nach draußen.
Wikka stand noch immer auf dem Vorplatz. Sie lachte laut und rief mit gellender Stimme: »Kommt alle her zu mir! Eure Zeit ist angebrochen, die Rache der Hexen wird sich erfüllen!«
Als die Worte verklangen, hatte Suko gesehen, was er sehen wollte. Diese Wikka sah nicht mehr so aus wie die von früher. Sie hatte sich auf schaurige Weise verändert. Was Suko da zu sehen bekam, war ein gräßliches, verbranntes Monstrum, das trotzdem lebte.
Er zog sich wieder zurück und schaute seine Schützlinge an. »Sie sammeln sich noch«, erklärte er.
»Haben wir eine Frist?«
»Ja.«
»Wie lange?«
Suko hob die Schultern. Eine Antwort konnte er darauf wirklich nicht geben. Für Dämonen oder Wesen der Finsternis spielte die Zeit eine geringe Rolle. Oft nahmen sie sich bewußt die Zeit, um die Qual der Menschen zu verlängern.
Suko steckte in einem Zwiespalt. Wenn er hier in der Kirche blieb, überließ er den Hexen die Initiative. Ging er aber hinaus, waren die Menschen schutzlos.
Was sollte er tun?
Eine Antwort konnte ihm niemand geben, deshalb mußte er sich völlig allein entscheiden.
Das tat er auch. »Ich werde jetzt hinausgehen«, erklärte er den anderen mit lauter Stimme. »Und ich versuche, dem Spuk ein Ende zu bereiten. Jede Hexe, die ich erledige, kann euch nicht mehr schaden.«
»Und wenn Sie es nicht schaffen?«
»Daran wollen wir nicht denken«, erwiderte der Inspektor.
»Ja, Sie nicht, aber wir.«
»Richtig, nur möchte ich Ihnen eins sagen. Wenn ich hierbleibe, und es kommt zu einem konzentrierten Angriff, nutze ich euch ebensoviel wie draußen. Die Chancen stehen also gleich.«
»Dann bleib doch hier, verdammt!«
»Nein«, erwiderte Suko. »Draußen kann ich Eigeninitiative entwickeln. Hier muß ich zuviel Rücksicht nehmen.«
»Der will uns verrecken lassen!« schrie jemand, und dieser Satz wirkte wie eine Initialzündung. Plötzlich hatte Suko alle gegen sich. Jetzt mußte er raus, wollte er nicht den völlig durchgedrehten Menschen in die Hände fallen.
Bevor die ersten ihn packen konnten,
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