027 - Das Gesicht im Dunkel
aber sie dachte nicht weiter darüber nach, sondern vertiefte sich in einen Zeitungsbericht über sonderbare Vorfälle im ›Palace Hotel‹.
»Verzeihen, Sie, Fräulein Bedford!«
Überrascht blickte sie auf.
»Mein Name ist Willitt. Vielleicht entsinnen Sie sich -ich kam einmal nach Fontwell, um Erkundigungen einzuziehen.«
»Ach ja - gerade als ich nach London abreiste.«
»Ganz recht. Ich bin Angestellter der Stormerschen Detektivagentur.«
Audrey nickte. Von dieser bekannten Firma hatte sie öfters gelesen.
»Herr Stormer hat mich beauftragt, mit ... mit einem Vorschlag an Sie heranzutreten, Fräulein Bedford. Wir sind nämlich in Verlegenheit. Eine Dame, die für uns arbeitete, hat sich verheiratet, und wir haben bis jetzt keinen Ersatz für sie gefunden. Nun meinte Herr Stormer, ob Sie vielleicht Lust haben würden, in unsere Agentur einzutreten?«
»Ich? Sie meinen - als weiblicher Detektiv?«
»Wir würden Ihnen keine unangenehme Arbeit auftragen, Fräulein Bedford. Es würde sich für Sie nur um Fälle aus der guten Gesellschaft handeln.«
»Aber weiß Herr Stormer denn von meiner - meiner ›Vergangenheit‹?«
»Sie meinen den Juwelenraub? Oh, gewiß, darüber weiß er Bescheid. Das macht ihm nichts aus. Er möchte gern, daß Sie einen Herrn beobachten - einen gewissen Herrn Torrington.«
»Torrington? Wer ist das?«
»Ein steinreicher Südafrikaner. Interessieren, Sie sich für Südafrika?«
Sie zuckte zusammen. »Jawohl - wenn alle Geschichten, die ich darüber gehört habe, wahr sind ...«, sagte sie nachdenklich.
»Wir verlangen nicht, daß Sie hinter Torrington herlaufen«, fuhr Willitt fort. »Es wäre uns aber lieb, wenn Sie mit ihm bekannt würden.«
»Ist er - ein Verbrecher?«
»Gott bewahre! Ein durchaus redlicher Mann. Wir möchten nur gern wissen, mit wem er verkehrt -«
»Kann ich Herrn Stormer vielleicht selbst sprechen?«
»Er ist schon wieder in Amerika«, log Willitt, »und vor seiner Abreise hat er mir ausdrücklich aufgetragen, Sie um jeden Preis als Mitarbeiterin zu gewinnen.«
Audrey lachte. »Nun, versuchen kann ich's ja«, sagte sie heiter, und Willitt atmete erleichtert auf.
Als er ins Büro zurückkehrte, fand er John Stormer in milderer Stimmung vor und berichtete mit Genugtuung über seinen Erfolg. Er hatte kaum das Zimmer verlassen, als Stormer ans Telefon ging.
»Hier Stormer. Sind Sie's selbst, Hepps? Besten Dank für Ihre Hilfe.«
»Es ging mir sehr gegen den Strich«, erwiderte der Redakteur in bedauerndem Ton. »Sie scheint ein nettes, intelligentes Mädchen zu sein. Was wird sie nur von mir denken! Ich werde mich gar nicht mehr getrauen, ein nettes Mädchen anzuschauen!«
»Vielleicht werden Sie darüber froh sein!« lachte Stormer und legte auf.
Torrington bewohnte eins der teuersten Appartements im Ritz-Carlton-Hotel. Er empfing nur sehr selten Besuch, und als ein schäbiger kleiner Mann sich bei ihm melden lassen wollte, indem er eine Verabredung vorgab, währte es eine ganze Weile, bis er vorgelassen wurde.
Herr ›Brown‹ saß an seinem Schreibtisch und schob den Brief, den er schrieb, zur Seite, um sich den kleinen Mann genau anzusehen. »Sie kommen aus Kimberley?« fragte er. »Ich erinnere mich nicht, Sie jemals gesehen zu haben. Sie wissen natürlich, welchen Namen ich damals führte?«
»Ich weiß es«, erwiderte der kleine Mann, »aber ich werde ihn nicht aussprechen. Wenn ein Mann sich ›Brown‹ nennt - so ist er für mich Herr Brown. Offen gesagt ... ich verbüßte eine Strafe - zur selben Zeit wie Sie.«
Torrington fuhr mit der Hand in die Tasche. »Ich besinne mich nicht auf Sie, aber ich habe mir auch große Mühe gegeben, alle, mit denen ich am Wellenbrecher arbeitete, zu vergessen.«
Auf dem Schreibtisch lag ein Brief, den der alte Mann gerade beendet hatte. Der Fremde sah die schwungvolle Unterschrift, aber der Bogen war zu weit von ihm entfernt, als daß er sie hätte lesen können. Er suchte nach einem Vorwand, um hinter den Tisch zu gelangen.
Der alte Mann schob ihm eine Banknote hin und sagte: »Ich hoffe, daß es Ihnen fernerhin bessergehen wird!«
Der Fremde ergriff den Geldschein, ballte ihn zusammen und schleuderte ihn zum Erstaunen seines Wohltäters an ihm vorüber in den leeren Kamin hinein. Verwundert sah Herr ›Brown‹ sich um, und in dieser Sekunde las der andere die Unterschrift.
»Behalten Sie Ihr Geld!« sagte der Fremde. »Denken Sie, daß ich deshalb hergekommen bin - Torrington?«
Daniel
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