027 - Werwolf in der Nacht
der Inquisitionsabteilung hing in großem Maße von dem Observator Inquisitor Trevor Sullivan ab. Wenn seine Krankheit ihn zwang, die Leitung aufzugeben, sah es düster aus. Doch egal, was geschah, ich selbst würde den Kampf gegen die Schwarze Familie fortsetzen, zur Not auch ohne die Unterstützung des Secret Service. Fast wäre es mir sogar lieber, wieder auf mich allein gestellt zu sein. Der Beamtenapparat des Service war mir manchmal eher hinderlich als nützlich gewesen.
Bald kehrten meine Gedanken wieder in die Gegenwart zurück. Ich hatte Alexander Kirsts und Peter Frosts Spuren im Schnee bei meiner Rückkehr aufs Gut am frühen Morgen gesehen. Es war mir klar, daß sie mich bei Gunnar Larsson angeschwärzt hatten, und es hatte mich offen gestanden betroffen gemacht, daß Verena sich mit einem Widerling wie Larsson einließ.
Kirst und Frost hatten sich auf ihre Zimmer zurückgezogen. Ich war froh, daß ich sie nicht zu sehen brauchte. Gregor Yameshi war bereits fort. Ich hatte mit ihm abgesprochen, daß er mich holen würde, falls er die Werwolfschlucht fand.
Ich wollte mich derweil auf dem Gutshof umtun. Das Geheimnis des Werwolfes war meiner Ansicht nach unter den Menschen auf dem Hof zu suchen, bei Elmar Larsson und seinen Angehörigen. Auf Gut Falö konnte ich mehr herausfinden als in den verschneiten Wäldern.
Um Boris Schtscherbakow machten wir uns allmählich ernsthaft Sorgen. Er war seit dem vorigen Morgen verschwunden. Wenn er bis zum Mittag nicht zurückgekehrt war, sollte ein Suchkommando losgeschickt werden. Vielleicht hatte ihn der Werwolf erwischt, vielleicht hatte er sich auch, vom Schnaps benebelt, in den Wäldern verirrt und war in der Kälte erfroren.
Ich sah zunächst nach Feodora Munoz. Es ging ihr den Umständen entsprechend gut. Ihre Brandwunden schmerzten noch immer, aber sie waren nicht gefährlich und würden bald verheilt sein. Ein weiteres Experiment wollte sie allerdings nicht mehr wagen.
Von Feodoras Fenster aus sah ich Aristide Roux, Priscilla Larot und den Yogi Ramadutta Ngaresh losmarschieren. Ramadutta hatte dicke Sachen unter seinem Sari angezogen. Er sah zum Lachen aus, wie er so mit seinen breiten Schneeschuhen durch den Schnee stapfte, eine Wollmütze auf dem kahlen Kopf, das Gewehr über der Schulter und ein Buch mit altindischen Veden in der Rechten. Hoffentlich erschossen sich die drei aus Versehen nicht gegenseitig.
Nachdem ich Feodora Munoz aufgesucht hatte, ging ich zum Gutshaus hinüber, um mit dem alten Elmar Larsson über den Werwolf zu sprechen. Schon unten in der Halle hörte ich das Spektakel aus dem Obergeschoß. Der alte Larsson tobte wieder einmal.
Jens Albin Brantlander kam in die Halle, während ich unten wartete. Er konnte seine Genugtuung nicht verbergen. »Gunnar hat ärger mit dem Alten«, sagte er auf Englisch zu mir. »Der gute Gunnar hat eine Menge Schulden. Bei seinem Lebenswandel ist das auch kein Wunder. Er ist weiß Gott nicht der Biedermann, den er gern spielt. Bestimmt hat er wieder einmal Schwierigkeiten und den Alten gefragt, ob dieser ihm etwas vorschießt. Die Antwort hören Sie gerade.« Er deutete zur Decke hinauf und kicherte. »Gunnar würde den Alten am liebsten umbringen, schätze ich. Aber wer würde das nicht?«
Oben wurde eine Tür zugeworfen. Gunnar Larsson polterte die Treppe herunter. Er hatte Peitschenstriemen im Gesicht und war so in Rage, daß er uns kaum sah; er fegte ohne ein Wort vorbei und knallte die Tür hinter sich zu.
»Jetzt wird er wieder bei Weibern und Schnaps Trost suchen«, sagte Brantlander. »Wenn Sie den Kopf abgerissen haben wollen, Mr. Hunter, dann gehen Sie nur zu dem Alten hinauf.«
Ich ging hinauf. Der Gutsbesitzer war wütend. Vielleicht würde sein Zorn ihn dazu verleiten, mir mehr zu verraten, als er eigentlich beabsichtigte. Was seine Ausbrüche anging, so hatte ich ein dickes Fell; ich würde schon mit ihm fertig werden.
Der Alte war in übelster Laune, als ich eintrat; wieder einmal hatte er die Schnapsflasche am Mund.
»Was wollen Sie, Hunter?«
Ich setzte mich rittlings auf einen Stuhl und sah ihm fest in die Augen. »Endlich die Wahrheit über Sie und den Werwolf erfahren. Weshalb hassen Sie ihn so? Erzählen Sie mir jetzt nur nicht, weil er schon drei Menschen umgebracht hat! So etwas ist Ihnen doch völlig egal, falls es sich nicht um Leute handelt, die Sie brauchen.«
»Spielen Sie sich nicht so auf! Ich kann Sie jederzeit vom Hof jagen lassen.«
»Das werden Sie nicht tun.
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