027 - Werwolf in der Nacht
haben.«
»Vielleicht treibt sie es auch mit dem Werwolf. Vielleicht ist sie seine Geliebte.«
»Du spinnst ja!«
»Weshalb denn nicht? Ein Werwolf ist ein Wolfsmensch, weshalb soll er keine Geliebte haben? Er war bei ihr in der Hütte. Er hat uns überfallen und niedergeschlagen. Glaubst du der Rothaarigen etwa die Geschichte, daß sie sich dein Bajonett geschnappt und den Werwolf in die Flucht geschlagen hat?«
Die beiden hatten auf dem Gut nicht erzählt, daß sie in der Hütte des Mädchens vom Werwolf überwältigt worden waren, weil sie nicht ihre Konkurrenten auf die Hütte hatten aufmerksam machen wollen. Verena hatten sie gesagt, wenn herauskäme, daß der Werwolf bei ihr in der Hütte gewesen war, käme sie in Verruf. Das Mädchen war darauf eingegangen.
»Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich glauben soll«, sagte Kirst wütend. »Eins ist sicher: Heute kommt der Werwolf nicht mehr. Es wird schon bald hell. Mir reicht es. Komm, wir kehren zum Gutshof zurück.«
»Und morgen? Sollen wir uns etwa noch eine Nacht um die Ohren schlagen?«
»Auf jeden Fall. Der Werwolf war einmal bei ihr, er kommt auch wieder. Möglich, daß er irgendwie weiß, daß Hunter heute nacht bei ihr ist, und deshalb nicht kommt. Los jetzt! Mir ist saukalt, und Hunger habe ich auch.«
Die beiden Männer schnallten die Skier an und liefen durch den Wald zum Gutshof zurück. Es hatte aufgehört zu schneien; der Schnee lag dreißig Zentimeter hoch, in Verwehungen noch höher.
Sie erreichten den Gutshof gerade rechtzeitig zum Frühstück. Es war noch dunkel und dämmrig; die lange Nacht wollte nicht weichen. Vor dem Gutshaus sahen sie Gunnar Larsson.
»Dem erzähle ich jetzt, daß sein Liebchen Verena die Nacht mit Hunter verbracht hat«, sagte Kirst. »Wenn der Kerl schon nicht im Wald erfroren ist, soll er wenigstens Ärger haben.«
Er fuhr zu Larsson hin. Frost beobachtete, wie die beiden Männer sich unterhielten. Gunnar Larsson machte ein Gesicht wie eine Donnerwolke. Als Kirst mit Frost in den großen Kantinenraum bei der Gutsküche ging, war er hochzufrieden.
»Er hat gesagt, er will Hunter zum Teufel jagen«, berichtete er freudestrahlend.
Außer Dorian Hunter, Boris Schtscherbakow und Feodora Munoz saßen alle Werwolfjäger mit den Knechten und Mägden beim Frühstück. Man fragte Kirst und Frost, wo sie die Nacht verbracht hatten, aber die beiden wollten nicht mit der Sprache heraus.
Gregor Yameshi war abmarschbereit. Nach dem Frühstück wollte er aufbrechen und die Schlucht suchen, in der sich die Werwolfhöhle befinden sollte.
Peter Frost sah in die Dämmerung hinaus und stieß Alexander Kirst mit dem Ellbogen an. »Da kommt Hunter angefahren. Gunnar Larsson steht schon mit einem Axtstiel bereit. Donnerwetter, das gibt eine Keilerei! Das müssen wir uns ansehen, Alex.«
Kirst trank seinen Kaffee aus, stopfte den Rest der Wurstschnitte in den Mund und stapfte hinter Frost hinaus.
Larsson hatte Dorian Hunter gestellt, als er gerade seine Skier abschnallte. Er redete erregt auf ihn ein. Hunter beachtete ihn gar nicht. Er stellte seine Skier an die Wand des Gästehauses. Larsson schwang wutentbrannt den Axtstiel.
»Jetzt haut er ihm eins über die Rübe.« Peter Frost freute sich.
Doch Hunter wirbelte blitzschnell herum. Er packte Larssons Arm und warf den mittelgroßen Mann schwungvoll über die Schulter. Larsson landete im Schnee. Seinen Prügel hatte er verloren. Verdattert sah er zu Hunter hoch.
»Machen Sie keinen Ärger, Mann!« sagte Dorian Hunter. »Sie haben wahrlich keinen Grund, den eifersüchtigen Galan zu spielen. Wenn Ihr Vater oder Ihre Frau davon hören, ist der Teufel los.«
Larsson erhob sich und betastete seine Knochen. Es erschien ihm plötzlich nicht mehr ratsam, sich mit Hunter einzulassen. Finstere Verwünschungen murmelnd, hinkte er davon. Auch Kirst und Frost wandten sich enttäuscht ab.
Nach der Nacht mit Verena war ich ziemlich müde. Der Zwischenfall mit Gunnar Larsson war auch nicht dazu angetan gewesen, meine Stimmung zu heben. Während ich am Frühstückstisch saß – die Knechte und Mägde hatten den großen Kantinenraum schon verlassen – schweiften meine Gedanken nach London zu Coco und zur Inquisitionsabteilung. Was Coco anging, so machte ich mir wegen meines nächtlichen Abenteuers keine Sorgen. Wir waren schließlich nicht miteinander verheiratet und hatten einander nie absolute Treue geschworen.
Ich fragte mich, wie es in London weitergehen sollte. Das Schicksal
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