0270 - Geistertanz der Teufelsmönche
zu beben. In Wellen rannen die Stöße an, das Geschirr in den Schränken klapperte, Lisa schrie auf und warf sich in meine Arme.
Ich hielt sie fest. Und zwar so lange, bis die Erschütterungen vorbei waren.
Auch Lisa drückte sich wieder von mir. »Entschuldigen Sie!« flüsterte das Mädchen, »aber das verstehe ich nicht. Ich komme da nicht mit. Irgendwas stimmt hier nicht.«
»Ist das schon öfter passiert?« fragte ich.
»Nein, noch nie.«
»Ich glaube, es ist besser, wenn wir deine Mutter suchen. Mir scheint, hier läuft einiges durcheinander.«
»Das glaube ich auch«, gab sie ehrlich zu und schluckte ein paarmal. Ich hatte das Mädchen genau beobachtet. Seinen Reaktionen konnte ich entnehmen, daß es tatsächlich nichts wußte. Auch ihr Bluten hatte sie nicht bemerkt, wobei ich das Gefühl hatte, allmählich in einen gefährlichen, schwarzmagischen Kreislauf hineinzugeraten.
»Komm«, sagte ich, »führ mich mal in ihr Zimmer…«
Lisa nickte und ging vor. Auf ihren Armen entdeckte ich die Gänsehaut. Die Fröhlichkeit hatte das Mädchen verloren.
Wir verließen die Küche, gelangten in einen schmalen Flur, an dessen Ende ich eine Holztreppe sah. Sie führte in die obere Etage.
Lisa war schnell. Ihre nackten Füße patschten auf die Stufen, ich folgte ihr langsamer.
Wenn sich ihre Mutter oben befand, hatte Lisa noch Zeit, sie auf meinen Besuch vorzubereiten.
Das geschah nicht.
Sie war bereits in einem Zimmer verschwunden, als sie mich rief.
»Kommen Sie, Monsieur Sinclair.«
Eine Tür stand offen. Es war der Eingang zu einem Atelier. Er lag an der Rückseite des Hauses. Das breite Fenster war zum Meer hingewandt und bildete einen rechten Winkel zum Flachdach. Wer vor der großen Scheibe stand, konnte über den Strand und weit in die Bucht hineinschauen.
Von Fedora Golon entdeckten wir beide keine Spur. Dafür konnte ich zum erstenmal ihre Bilder bewundern. An zwei fensterlosen Wänden hingen sie. Manche standen auch darunter auf dem Fußboden. Ich schritt langsam an ihnen vorbei und schaute mir die Motive an.
Das Mädchen hatte recht gehabt. Für optimistische, fröhliche Menschen war das nichts.
Fedora Golon arbeitete mit düsteren Farben. Sie zeichnete zumeist Landschaften, die ein herbstliches Aussehen besaßen. Sturmgepeitschte Bäume, knorrige Äste, Zweige, die sich im Wind bogen, und dichte, über den Himmel jagende Wolkenberge.
Andere Bilder wirkten wie Szenen aus düsteren Märchen. Da rannten Menschen in panischer Angst vor irgendwelchen dämonischen Wesen davon oder flohen in Feuerhöllen hinein, wo sie verbrannten. Ein Bild erinnerte mich an eine Dimension, in die es mich einmal verschlagen hatte. An das Land, das nicht sein durfte.
Ähnlich wie ich sie dort gesehen hatte, waren auch die Vögel auf den Bildern abgebildet. Drachenähnliche Geschöpfe, die über einen dunklen Himmel segelten.
Lisa schaute mich direkt an. »Mögen Sie diese Bilder, John?«
»Nein, eigentlich…« Das nächste Wort wurde mir durch einen Knall von den Lippen gerissen. Wir schraken beide zusammen. Es bestand jedoch keine Gefahr. Nur die Tür war wegen des Durchzugs zugefallen.
Lisa preßte eine Hand gegen die Brust. »Meine Güte, habe ich mich erschreckt, Ich bin wohl etwas nervös geworden.«
Ich wechselte das Thema. »Wo könnte deine Mutter denn noch stecken?«
»Vielleicht im Keller?«
»Malt sie da auch?«
»Nicht, daß ich wüßte. Aber wenn wir sie unten, hier und draußen nicht gefunden haben, bleibt nur der Keller.«
Da hatte sie eigentlich recht.
»Vor dem habe ich mich immer gefürchtet«, erklärte sie mir mit leiser Stimme.
»Du und Angst?«
»Ja, der Keller ist etwas ganz anderes. So unheimlich. Wissen Sie, Monsieur, der gehört eigentlich gar nicht zu dem Haus, sondern war schon viel früher da. Wenigstens die Mauern. Als wir das Haus bauten, haben meine Eltern sie stehenlassen.«
»Und jetzt?«
»Lagert darin Wein.«
Mir lag die Frage auf der Zunge, ob Madame vielleicht heimlich eine Freundin des guten Tropfens war, aber ich verschluckte die Bemerkung.
»Dann wollen wir uns den Keller mal ansehen. Oder hast du vor mir auch Angst?«
»Nein, Monsieur.«
»Wie komme ich zu der Ehre?«
Lisa wurde rot. »Wissen Sie, Monsieur, das sehe ich in den Leuten oft an den Augen an. Wie Sie vorhin geschaut haben, als ich aus dem Wasser stieg, das war nicht so, wie es andere Jungen oder Männer tun. Irgendwie…« Sie hob die Schultern. »Eigentlich ganz natürlich.«
Ich mußte
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