0270 - Mordnacht der Wölfe
zusätzliche Kräfte verzichten konnte. Dafür aber hatte sie mit ihren eigenen unheimlichen Kräften dafür gesorgt, daß eben dieses Para-Können, das sie Teri raubte, auf eine andere Person übersprang. Von einer Sekunde zur anderen war jene Person zum Gedankenleser geworden…
Niemand außer der Alten hätte dieses Kunststück zuwege gebracht. Nicht einmal Merlin, der mächtige Zauberer, oder Asmodis, der Fürst der Finsternis, waren dazu in der Lage. Übersinnliche Kräfte zu verpflanzen war bisher noch niemandem nachweislich gelungen.
Der Alten schon.
Und sie rieb sich die Hände, die Blinde, und freute sich über das Gelingen wie ein gerissener levantinischer Händlerpatriarch, der gerade seine gesamte Sippe übers Ohr gehauen hat. Die Alte war mit sich mehr als nur zufrieden. In dem verwinkelten und schon so schier unübersichtlichen Super-Schachspiel um Leben, Tod und Macht hatte sie eine neue Regel eingebracht und mit einem neuen Zug eine Situation eröffnet, die außer ihr noch niemand zu überschauen vermochte.
Sie allein hatte alle Fäden in der Hand.
Dachte sie.
***
»Ich schlage das alte Biest tot!« drohte Teri, nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hatte. »Ich schlage sie tot, die Alte, und wenn es das letzte ist, was ich jemals auf dieser Welt tue!«
Zamorra schwieg. Er konnte sich vorstellen, welcher Schock es für Teri war, einen Teil ihrer Fähigkeiten zu verlieren. Es mußte so sein wie für einen normalen Menschen, dem ein Bein oder ein Arm amputiert wurde -oder schlimmer, das Augenlicht genommen. Denn irgendwie war es für die Druidin ein völlig natürlicher, weiterer Sinn, den ihr die Alte geraubt hatte.
Zamorra begriff weder, wie die Alte das getan hatte, noch warum. Wer konnte so abgrundtief bösartig sein, einen Menschen als Bezahlung für eine Nichtigkeit geistig zu verstümmeln?
»Nein«, sagte er schließlich. »Du wirst nichts dergleichen tun. Du bleibst hier im Haus und verläßt es vorläufig nicht mehr. Nicole geht zu daRaca und besorgt sich die Waffe mit den Silberkugeln. Und ich nehme mir die Alte vor.«
»Weil das Männersache ist?« fragte Nicole etwas spitz.
Zamorra schüttelte den Kopf. »Weil Teri geistig angeschlagen ist«, sagte er. »Um mit der Alten klarzukommen, wird ein klarer Kopf gebraucht. Und ganz so wehrlos bin ich auch nicht.«
»Hoffst du«, murmelte Nicole. »Paß auf. Wenn ich bei daRaca fertig bin, folge ich dir. Und sollte die Alte mit dir auch irgend ein falsches Spiel getrieben haben, werde ich vor dem Werwolf die Silberkugeln an ihr ausprobieren.«
»Fängst du jetzt auch mit Blutrache an?« fragte Zamorra leise. »Das bringt Teris Fähigkeiten auch nicht zurück.«
»Aber es verhindert, daß noch mehr Menschen Schaden zugefügt wird!« ereiferte sich Nicole, und Teri nickte.
»Denkt ihr zwei auch daran, daß die Alte von den Menschen hier im Dorf verehrt wird? Daß sie ihnen hilft?«
Teri sagte nichts. Sie warf sich auf das Bett, drehte Zamorra den Rücken zu und blieb verkrampft liegen. Nicole beugte sich über sie, küßte ihre Wange und sagte leise: »Kopf hoch, Mädchen. Wir werden es schon schaffen.«
»Paßt auf Fenrir auf. Der ist auch noch nicht zurückgekommen«, sagte die Druidin leise. »Und jetzt laßt mich in Ruhe.«
»Komm«, murmelte Zamorra.
Plötzliche Unruhe erfaßte ihn. Fenrir, dachte er. Was ist mit dem Wolf passiert? Er hätte wirklich inzwischen wieder einmal auftauchen müssen…
Der Parapsychologe öffnete das Hemd so weit, daß das Amulett vor seiner Brust einigermaßen deutlich zu sehen war. Dann machte er sich auf den Weg zur Alten, während Nicole das Haus der daRacas ansteuerte.
***
Julio daRaca staunte, als er Nicole sah. »Kommen Sie herein«, bat er. Er führte die Französin in ein kleines Wohnzimmer. Constanca erhob sich.
Nicole beobachtete beide sehr genau. Aber entweder hatten sie sich sehr gut unter Kontrolle, oder sie hatten beide mit dem Diebstahl der Waffen nichts zu tun. Zumindest verriet nichts an ihnen, wie sie über Nicoles Auftauchen dachten.
Nicole beschloß sie aus der Reserve zu locken - mit einer Bemerkung, die trotzdem noch anders erklärbar war. Sie streckte die Hände aus. »Also gut -geben Sie mir die Waffen«, sagte sie.
»Was für Waffen?« fragte Constanca verblüfft.
Julio schwieg. Er sah Nicole durchdringend an.
»Die Waffen, die wir gegen den Werwolf brauchen«, fügte Nicole hinzu. Sie beobachtete vor allem Julio.
Aber der verzog keine Miene. Starr sah er Nicole
Weitere Kostenlose Bücher