0271 - Hexen-Zauber
Bord waren.
In den vorderen Teilen der Finger besaß der Riese genügend Kraft. Die eiserne Reling verbog sich, als das Steinmonstrum den Rheindampfer an der Steuerbordseite unter Wasser drückte.
Tina Berner, noch immer ohnmächtig, schlitterte über die Planken. Mit einem Sprung war Sandra Jamis bei der Freundin und versuchte, sie zurückzuzerren, während das feuchte Element bereits ihre Füße umspielte.
»Hilfe! Ich schaffe es nicht alleine, Carsten!« schrillte ihre Stimme. Mit schwankenden Schritten versuchte der Millionenerbe, die beiden Mädchen zu erreichen.
Doch da senkte sich ein Schatten herab. Im nächsten Moment waren die beiden Mädchen von der Faust des Steinriesen umschlossen. Urwüchsige Gewalten rissen sie empor.
Mit einem Schrei stürmte Michael Ullich heran. Er riß die schwarze Lederhülle herab, mit der er das Schwert vor den Blicken Neugieriger verdeckte. Im selben Moment fingerte Carsten Möbius seinen Strahlschocker hervor. Ein kurzer Ruck an der Arretierung, dann war das Gerät auf Laserschuß eingestellt.
Mit einem leisen Summen zischte ein nadelfeiner Strahl aus der Mündung der Defensivwaffe. Ein schmerzerfülltes Brüllen durchzitterte die Luft, als der bläuliche Laserstrahl den Unterarm des Steinriesen traf, der gerade Tina Berner und Sandra Jamis emporzerrte.
An der Stelle, wo der Strahl auftraf, begann die Materie zu kochen. Der graue Felsstein schlug Blasen und verformte sich wie flüssiges Glas.
Doch der Wille der Loreley war stärker als der Schmerz, den das seelenlose Steingeschöpf verspürte. Obwohl Carsten Möbius einen Dauerfeuerstoß losjagte, ließ der Riese die beiden Mädchen nicht los.
Dafür jedoch senkte sich die andere Hand herab. Wie einen Flugsaurier der Urzeit sah der Millionenerbe den Schatten des Verderbens über sich fallen. Im letzten Moment riß er die Waffe herum und richtete sie auf die Hand, die ihn bedrohte. Noch höchstens vier Meter. Auf diese Distanz hatte der Laserstrahl eine verheerende Wirkung, die bisher nur in den Testlabors des Möbius-Konzerns erprobt worden war.
Kein Fehlschuß war möglich. Und der Junge wußte, daß es um ihn geschehen war, wenn er jetzt nicht handelte. Die Faust des Riesen konnte ihn zerquetschen wie eine Ameise.
Das Gesicht des Carsten Möbius verkantete sich, als er den Stecher der Waffe durchriß. Summend schoß der Strahl hervor … um gleich darauf zu verlöschen.
Die Waffe war leergeschossen. Carsten Möbius hatte die Batterie zu sehr strapaziert, als er versuchte, mit dem Strahlschuß den Riesen zu zwingen, die beiden Mädchen loszulassen.
Der Junge handelte instinktiv. Er ließ sich fallen und rollte über die Decksplanken. Gierig wie die Arme eines Kraken haschten die Finger des Riesen nach ihm. Einen Augenblick später umschlossen ihn die Finger des Giganten. Und schon kam die zweite Hand, die Tina und Sandra einem anderen Riesen weitergereicht hatte, ebenfalls herab. Carsten Möbius sah den Tod vor Augen.
Michael Ullich war auf den schlüpfrigen Decksplanken ausgeglitten, denn die »Germania« krängte durch den Druck der Riesenfaust auf die Reling stark nach Steuerbord. Mühsam das Gleichgewicht balancierend, das Schwert mit beiden Fäusten schwingend, kämpfte er sich voran.
Carsten Möbius schrie nicht um Hilfe. Er wußte, daß der Freund das Äußerste wagen würde, ihn aus dieser tödlichen Umklammerung zu befreien. Immer enger schnürten sich die Finger des Steinriesen um seinen schlanken Körper. Wollte diese Bestie das Leben aus ihm herausquetschen?
Der Atem des Jungen ging stoßweise. Dicke Schweißperlen rollten über seine Stirn. Rote Schatten schwebten vor seinen Augen.
Michael Ullich wußte, daß er gegen den Riesen keine Chance hatte. Doch sich dem Kampf durch feige Flucht entziehen und den Freund dem Verderben zu überlassen, das ließ sein Ehrenkodex nicht zu. Das Schwert des Earl of Pembroke sirrte durch die Luft. Der Stahl beschrieb eine Acht, als Michael Ullich den Schwung holte, der nötig war, die Waffe mit dem größtmöglichen Kraftaufwand auftreffen zu lassen.
Wie ein stählerner Blitz zischte das Schwert herab. Ein helles Klirren und ein Regen von Metallsplittern – dann hielt Michael Ullich nur noch das Heft der Waffe in der Hand. An der Steinsubstanz des Körpers war der vielgepriesene Stahl aus Toledo zuschanden geworden.
Einen Atemzug später wand sich auch Michael Ullich im Griff des Riesen. Es war, als würde ihm das Steinmonster alle Knochen zerbrechen. Ein
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