0271 - Hexen-Zauber
schmerzhaftes Stöhnen entrang sich seiner Kehle.
Doch im nächsten Moment bekam der Riese einen anderen Befehl. Michael Ullich schrie auf, als er erkannte, welches Ende ihnen zugedacht wurde.
Die »Germania« war fast bis zu den oberen Aufbauten abgesackt. Die Wellen spielten schon über die Decksplanken. Dort, wo der erste Stein die Kommandobrücke zerschmettert hatte und das Wasser durch das Hauptleck strömte, war ein mächtiges Loch im Rumpf. Die beiden Jungen erkannten, daß sie vom Tode unter den zudrückenden Steinen verschont würden, um im nassen Element zu sterben.
Unter ihnen gurgelten die Wasser des Rheins im lecken Rumpf der sinkenden »Germania«. Carsten Möbius holte noch einmal tief Luft. Dann schob ihn die Riesenfaust zuerst hinein in den wasserdurchspülten Schiffsrumpf. Durch das trübe Wasser des Rheins war sofort die Sicht behindert. Carsten Möbius spürte, wie ihn die Riesenfaust losließ. Doch gleichzeitig gab sie ihm einen Stoß, der ihn in das ungewisse Nichts des Laderaumes drückte. Keine Chance, bei der undurchsichtigen Wasserbrühe wieder das Leck im Schiffsrumpf zu finden.
Carsten Möbius zweifelte nicht daran, daß die andere Riesenfaust den Freund hinterher stoßen würde. Sie sollten jämmerlich ertrinken.
Gerhard Forstmann, der das andere Ufer des Rheins erreicht hatte und gerade Heinz Schaumann aus dem Wasser half, schrie auf, als er sah, daß sich der Riesenkörper mit seinem vollen Gewicht auf die Aufbauten der »Germania« legte.
Sie hatten beide mitansehen müssen, wie der Erbe des Stephan Möbius und sein Freund in die Gewalt des Steinmonsters gerieten und nun mitsamt dem Rheindampfer hinabgedrückt wurden.
Ein Gurgeln und Rauschen des Wassers, dann glitten die Wellen sacht wieder über die Stelle, wo eben noch die Aufbauten der »Germania« zu sehen gewesen waren. Im selben Moment sanken die Riesen auf der Loreley in sich zusammen und verschwanden. Die Hexe sah ihren Zweck erfüllt und ließ ihre Sklaven wieder in Schlaf verfallen.
Friedlich wie vordem war die Loreley wieder auf der anderen Rheinseite. Nur die Goldhaare des Mädchens auf der vorspringenden Spitze des Felsens waren noch für einen Moment zu erkennen. Dann war auch das verschwunden.
»Der Kronprinz … wir müssen den Kronprinz retten!« keuchte Gerhard Forstmann und machte Anstalten, sich wieder in die Fluten des Rheins zu stürzen. Doch sein Kollege hielt ihn zurück.
»Es wäre ein unsinniges Opfer!« sprach Heinz Schaumann schwer. »Bis du die Stelle erreichst, an der das Schiff gesunken ist, sind die beiden Jungen tot. Wie werden wir dem alten Stephan die fürchterliche Mitteilung beibringen …?«
»Und wie werden wir das, was wir erlebt haben, der Polizei und den Behörden beibringen!« sagte Forstmann voller Zweifel.
***
Professor Zamorra hielt nichts von Boulevardblättern. Doch das Wort »Loreley« auf der Titelüberschrift der Zeitung elektrisierte ihn. Ohne zu überlegen investierte er das Geld für die Zeitung.
Sekunden später war er im Bild.
»Rheindampfer an der Loreley gesunken. Millionenerbe auf mysteriöse Weise umgekommen!« stand dort in dicken, roten Lettern. Danach zwei Sätze und dann der Hinweis auf die genauere Berichterstattung auf Seite Vier.
Ungeduldig schlug Professor Zamorra diese Seite auf. Das Herz krampfte sich ihm zusammen als er las, wen der Rhein verschlungen hatte.
Carsten Möbius und Michael Ullich weilten also offensichtlich nicht mehr unter den Lebenden. Es gab genügend Zeugen, die sie mit dem Schiff hatten untergehen sehen.
Beiläufig wurden noch die Beobachtungen von zwei Zeugen erwähnt, die Phänomene gesehen haben wollten, die es nicht geben durfte.
Riesen hätten den Rheindampfer angegriffen und versenkt. Doch zweifelte niemand daran, daß diese Aussagen nur unter einem akuten Schockzustand gemacht worden waren. Und es gab niemanden, der diese Worte bestätigte. Zu dem Zeitpunkt, als die »Germania« die Loreley passierte, war gerade an diesem Teil des Stromes weder ein Schleppkahn noch sonst ein Schiff anwesend. Man verzichtete darauf, die Bevölkerung zu befragen.
Professor Zamorra atmete tief durch. Er wußte , daß solche Phänomene keine Wahnvorstellungen waren. Leider las er in einem Nachsatz, daß die beiden einzigen Überlebenden derzeit vernehmungsunfähig seien und sich in ärztlicher Behandlung befänden.
Keine Chance für den Parapsychologen, mit den beiden Zeugen des Geschehens zu reden. Und den Reporter, der den Artikel
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