0272 - Gorgonen-Fluch
einen Hubschrauber von Neapel nach Rom…«
»Townsend?« murmelte Möbius. »Der Ölboß?«
»Eben der, Stephan. Und ich fürchte, mit Ihnen ins Geschäft kommen möchte er auch. Vielleicht unterhalten Sie sich einmal miteinander. Danke und tschüß…«
Damit war alles geregelt.
Jetzt ging es an die praktische Ausführung.
***
»Du hast dich bewegt!« stieß Dano hervor. »Verdammt, du Ding hast dich bewegt!«
Er berührte die Statue. Sie war warm. Lebenswarm wie zuvor. Aber sie stand jetzt nicht mehr in abwehrender Haltung, und die Gesichtszüge waren glatter. »Wie hast du das gemacht?«
Er starrte in die toten Marmoraugen. »Kannst du mich verstehen? Du bist Peter Clarke. Du hast dich bewegt, also lebst du! Kannst du mich verstehen? Gib mir ein Zeichen!«
Doch die Statue reagierte nicht. Sie war steif, hart und unbeweglich.
Ich drehe noch durch, hämmerte es in Danos Gehirn. Ich sehe Dinge, die es nicht gibt. Aber, verflixt, die Figur steht jetzt anders da als vorhin!
Er entsann sich an das Blut, das aus der zerbrochenen Rascani-Figur strömte. Seltsam, daß er gerade jetzt daran denken mußte, aber warf das nicht Viaglis Theorie über den Haufen? Blut war doch auch eine organische Substanz und hätte sich somit ebenfalls in Marmor verwandeln müssen.
Er beschloß, es Viagli zu sagen. Aber nicht jetzt- Erst einmal mußte er selbst mit der Tatsache fertig werden, daß die Statue offenbar doch lebte.
Aber warum? Wie kam es zu diesem Scheinleben? Medusas Opfer blieben eine Ewigkeit lang erstarrt, bis sie durch Witterungseinflüsse zerfielen.
Nun gut- Er hatte damit begonnen, den Fall als Fall zu akzeptieren, nun mußte er auch den nächsten Schritt tun.
Ich muß die Bewegungsphasen fotografieren, sagte er sich. Alle zehn Minuten eine Aufnahme. Vielleicht läßt sich damit der Nachweis führen, daß…
Ein anderer Gedanke überfiel ihn wie ein Keulenschlag. Rascani! Vielleicht hatte er auch noch gelebt, auf eine seltsam steinerne Weise. Und der Sturz, das Stolpern über diesen vertrackten Putzeimer, hatte ihn bersten lassen…
Somit wäre die Verwalterin zur Mörderin geworden…?
Nein, entschied er. Das konnte doch niemand ahnen!
Er wußte, daß sich im Büro seines Kollegen nebenan eine Polaroid-Kamera mit Blitz befand. Er würde sie sich ungefragt ausleihen und die Figur knipsen, solange es ging. Entschlossen ging er zur Bürotür und stieß sie auf. Draußen auf dem Korridor brannte nur jeder zweite Leuchtkörper. Nachtlicht. Strom sparen. Warum sollte ein Gebäude hell erleuchtet werden, in dem nur eine Notbesetzung von zehn, fünfzehn Personen anwesend war?
Er trat auf den Gang hinaus.
Da faßte ihn eine Hand an der Schulter, riß ihm herum und wirbelte ihn mit fürchterlicher Gewalt in sein Büro zurück.
***
Mit dem Hubschrauber hatte es nicht geklappt, aber statt dessen mit einem schnellen Mietwagen, und so jagte zu dieser späten Nachtstunde ein Ferrari mit zwei Menschen und einer überaus kostbaren Fracht über die Autostrada nach Rom. Die Geschwindigkeit war weit überhöt. Zwei Lancias der polizia stradale, der Autobahnpolizei, nahmen die Verfolgung auf, hatten aber keine Chance, den Wagen noch einzuholen, an dessen Lenkrad Nicole Duval saß und das schnellste Rennen ihres Lebens fuhr. Auch ein über Funk hinter einer Mautstelle eingesetzter dritter Polizeiwagen verpaßte den Anschluß und war nicht einmal in der Lage, das Kennzeichen des Ferrari aufzunehmen. Nicole mißachtete alle Vorschriften, die nicht unbedingt der Sicherheit dienten, und jagte wie ein rasender Irrwisch an den wenigen anderen Fahrzeugen vorbei, die zu nächtlicher Stunde noch oder schon unterwegs waren. Die meisten glaubten an ein Gespenst.
Für die gut zweihundertfünfzig Kilometer bis Rom benötigte Nicole nicht einmal eine Stunde. Der zweistrahlige Jet des Möbius-Konzerns auf dem Aeroporte Leonardo da Vinci wartete bereits mit laufenden Triebwerken auf die Verladung und den Start.
Welche Schmiergelder hier und später in London flossen, um das alles unbürokratisch und blitzschnell zu erledigen, verriet Franklin Townsend nie. Aber später wischte er sich manchmal, wenn er nur daran dachte, noch den Schweiß von der Stirn.
Der Zweck heiligte die Mittel…
***
Ettore Dano schrie nicht. Er krümmte sich im Reflex zusammen, entglitt der Steinfaust und prallte gegen den Schreibtisch, ließ sich mit einem Hechtsprung nach vorn fliegen und war im nächsten Moment aus der unmittelbaren Reichweite der Statue
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