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0272 - Gorgonen-Fluch

0272 - Gorgonen-Fluch

Titel: 0272 - Gorgonen-Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Anblick konnte ihm nicht mehr schaden, denn er war doch längst wie alle anderen, die sich im Tempel mühsam knarrend und schleifend bewegten, wenn sie den Befehl dazu erhielten. Er war doch versteinert.
    Die Herrin war nicht allein, dieses liebreizende Geschöpf mit dem faszinierenden Aussehen. Zu dritt waren sie, drei Schwestern von überwältigender Schönheit, aber in grellem Kontrast dazu standen ihre Haare, die sich bewegende Schlangennester waren. Schlangen, die züngelten und zischten und beißen wollten.
    Für ihn war das Bild nicht erschreckend. Es war normal, daß die drei Herrscherinnen Schlangenhaare besaßen. Es paßte zu ihnen, und deshalb war es schön und richtig. Warum sollte es anders sein?
    Ihr Aussehen war die Waffe gegen die Fremden, die immer wieder kamen und die verborgenen Schätze des Tempels plündern wollten.
    Die Gorgonenschwestern verhinderten es nachhaltig - Medusa, Euryale und Stheno.
    Allmählich schwanden die Bilder wieder. Nur die Eindrücke blieben zurück, und eine mächtige Stimme donnerte in seinem trägen Restbewußtsein auf.
    WAS, STERBLICHER, WEISST DU ÜBER DIE DINGE, DIE UNTER DEM SCHLEIER DES VERGESSENS IN DER VERGANGENHEIT RUHEN? WIE KONNTEST DU DIR ANMASSEN, STÄRKER SEIN ZU WOLLEN ALS STHENO, DIE HERRSCHTE UND HERRSCHEN WIRD MIT IHREN SCHWESTERN?
    SO SEI DENN AUF IMMER VERDAMMT. NIE WIRST DU IN DEN WOLKEN DES GLÜCKS WANDELN, UNS DIENEN ZU DÜRFEN, DU UNSER FEIND! DENN STHENOS ZORN UND STHENOS MACHT IST FURCHTBAR BIS IN DIE EWIGKEIT.
    Er brauchte Zeit, dies alles zu verarbeiten und zu begreifen. Und ganz in der Tiefe seines steinernen Herzens glomm ein Fünkchen, das fragte: wer bin ich denn, ich in Ewigkeit Verdammter?
    Er wußte die Antwort, aber es war doch so unglaublich schwer, mit trägen Gedanken zur Erkenntnis zu kommen:
    Ich bin Zamorra, der Steinerne.
    ***
    Mit einem Satz war Dano im Büro, drehte sich einmal um die eigene Achse. Aber es gab keinen Zweifel. Die Clarke-Figur war fort.
    »Hören Sie, Capo«, sagte einer der Carabinieri unwirsch. »Bei allem Respekt, aber auf den Arm nehmen können wir uns noch allein. Dazu brauchen wir Sie nicht! Bitte, unterlassen Sie in Zukunft diese Scherze!«
    Dano wollte aufbrausen, entschied sich dann aber anders. Sicher, der Mann redete ziemlich respektlos zu seinem Vorgesetzten, aber mußte es nicht für einen Uneingeweihten wirklich wie ein dummer Scherz aussehen? Diese Männer von der Bereitschaft wußten mit Sicherheit nichts von den beiden Fällen. Damit hatten nur die Männer aus Danos direktem Stab zu tun gehabt.
    »Es ist gut«, sagte er müde. »Sie können gehen.«
    Die Bürotür schloß sich hinter den vier Polizisten. »Idiot, blöder«, hörte er noch einen sagen und mußte unwillkürlich grinsen. Er widerstand der Versuchung, hinter dem Mann her zu rufen, ob er schon einmal einen klugen Idioten gesehen habe.
    Aber dann wurde er wieder ernst.
    Hier waren Dinge im Spiel, die einfach nicht sein durften. Clarke war verschwunden - wie die kleine Figur mit ägyptischem Aussehen immer wieder verschwand!
    »Hm«, machte der Capo nachdenklich.
    Die Augen wollten ihm zufallen. Aber er durfte nicht einschlafen. Er fragte sich, was er in seinen Bericht schreiben sollte. Figur verschwunden? Wohin? Es gab keine Antwort.
    Er ließ sich hinter seinen Schreibtisch sinken. Müde stützte er den Kopf in die Handfläche, schloß für ein paar Sekunden die Augen und öffnete sie wieder. Da fiel ihm der Zettel auf.
    Eine ungelenke Hand hatte Worte darauf gemalt. Und es war dieselbe Handschrift, die auf den Zettel im Schiff das Wort Stheno schrieb; Dano hatte den Zettel gesehen.
    Wenn du mir helfen willst, hilf Zamorra und flieh vor Stheno
    Kein Satzzeichen dahinter, nichts. Die Schrift war krakelig, wie in großer Eile.
    Der Steinmann? Hatte Clarke geschrieben? Aber warum? Und warum war er verschwunden?
    Das ist ein Alptraum, dachte Dano. Es ist alles ein riesiger Alptraum, mehr nicht. Gleich werde ich erwachen, und alles ist vorbei. Dann habe ich wieder Ruhe und nur noch meine normalen Mordfälle.
    Er sah auf und erstarrte.
    Auf dem Aktenschrank ihm gegenüber stand eine kleine Statue. Unterarmlang, mit ägyptischer Frisur und ägyptischem Gewand.
    Eiskalt kroch es ihm den Rücken hinauf. Das mußte die Figur sein. Wie kam sie in sein Büro? Die Worte des Franzosen fielen ihm ein. Demnach sollte die Figur sich entmaterialisieren können.
    Blutige Tränen sickerten aus ihren Augen.
    »Nein«, keuchte er und begriff ganz langsam,

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