0274 - Astrano - Herr der Geister
Er griff nach Sorryas Hand und zog seine Schwester hinter sich her.
Gryf erhob sich und stand breitbeinig neben seiner Pritsche. Rogier war einer der ungläubigsten Menschen, die er kannte. Er wollte nicht an übersinnliche Phänomene glauben. Deshalb war es zwecklos, ihn einzuweihen. Der Artist war vielleicht sogar mit seinem ablehnenden Verhalten ein Klotz am Bein.
Gryf konzentrierte sich. Es war jetzt ohnehin sinnlos. Er hatte seine Druidenkraft eingesetzt, um Cronens Angriff abzuwehren, und darauf mußte Astrano aufmerksam geworden sein. Es hatte also keinen Sinn mehr, Versteck zu spielen. Gryf versuchte, Gedanken zu lesen und nach seinem Gegner zu tasten — und konnte es nicht!
Er war immer noch blockiert! Keine seiner speziellen Druiden-Fähigkeiten funktionierte! Die fremde Magie lähmte ihn!
Gryf war hier und jetzt hilflos! Er erkannte, daß er Hilfe brauchte. Der Fall weitete sich in eine Richtung aus, mit der er ursprünglich überhaupt nicht gerechnet hatte. Zamorra, sein Freund, mußte her, und zwar sofort.
Der Druide kratzte sich nachdenklich im Genick. »Cronen«, brummte er. »Der Mann, der von einer seiner eigenen Raubkatzen zerrissen wurde… Etwas stimmt hier nicht. Cronen, mein Lieber, du paßt mir gar nicht ins Weltbild, denn du warst doch Dompteur und kein Magier wie Freund Astrano…«
Aber wer steckte dann dahinter?
»Zamorra wird eine Antwort darauf finden«, knurrte der Druide grimmig und trat aus dem Wohnwagen ins Freie. Er mußte nach Frankreich telefonieren und den Freund herbeibitten.
Krachend schlug die Tür hinter ihm zu. Ohne Schlüssel schnappte die Verriegelung ein. Gryf fuhr herum, rüttelte an der Klinke, aber sie ließ sich nicht einmal bewegen. Er war ausgesperrt, kam nicht einmal mehr an seine Sachen heran!
Es ging wieder los!
Eine unsichtbare Faust packte ihn, schleuderte ihn von der kleinen Trittleiter.
Ein gellender Hupton heulte dem stürzenden Druiden entgegen, und dann war das Auto auch schon da…
***
Julio Morano trat auf die Bremse, riß den schweren Granada herum und bekam ihn gerade noch zum Stehen, bevor er gegen die Abstützung eines anderen Wohnwagens krachte. Totenbleich sprang der Direktor aus dem Wagen.
»Sind Sie verrückt geworden, mir direkt vor den Wagen zu springen?« schrie er Gryf an, packte zu und wuchtete den Druiden vom Boden hoch. »Was soll der Unsinn?«
Gryf schüttelte die Hände des Direktors ab, sah den Wagen an. Dann hob er die Hand und berührte Morano mit dem Zeigefinger.
»Erstens bin ich gestoßen worden, zweitens sollten Sie etwas langsamer fahren, wenn Sie schon zwischen den Wohnwagen herumjagen müssen«, sagte er zornig. »Um ein Haar hätten Sie mich erwischt!«
»Ich habe es eben eilig, und Sie sollten eigentlich Augen im Kopf haben«, fauchte Morano.
»Wo sonst, wenn nicht im Kopf?« gab Gryf bissig zurück.
»Werden Sie nicht frech«, zischte Morano. »Statt zu arbeiten, besaufen Sie sich wohl und taumeln zwischen den Wagen herum…«
Gryf atmete tief durch. Es hatte keinen Sinn, daß sie sich hier gegenseitig anbrüllten. Schon wurden andere aufmerksam und schoben sich näher, um zu lauschen. Gryf erkannte blitzschnell, daß er nachgeben mußte. Andernfalls verlor entweder Morano seine Autorität oder er, Gryf, seinen Job. Dann konnte er aber weder schützend in Sorryas Nähe bleiben, noch Astrano nachspüren…
»Sorry, Boß«, murmelte er. »Es ist nicht ganz so, wie Sie vermuten. Haben Sie etwas Zeit, daß ich mich mit Ihnen unterhalte? Ich glaube, wir sind beide ein wenig mit den Nerven runter.«
Morano beruhigte sich ebenso rasch. »Später«, sagte er. »Ich muß in die Stadt. Protokolle… Und die Versicherung will Schwierigkeiten machen. Haben Sie Pascal gesehen?«
»Ich nehme an, er ist mit seiner Schwester zu den Notunterkünften unterwegs.«
Morano sprang wieder in den Granada. »Über das andere unterhalten wir uns, wenn ich wieder hier bin«, sagte er. »Sehen Sie zu, daß Sie mit Ihrer Arbeit fertig werden.«
Dann jagte er weiter.
Gryf ging wieder zum Wohnwagen zurück, rüttelte an der Tür. Sie war immer noch verriegelt. »Gespenster, die am hellen Tag zuschlagen«, murmelte Gryf, »gibt’s nicht. Da steckt ein Mensch hinter. Aber Cronen war doch kein Magier. Und warum sollte er seinen Tod vortäuschen?«
Er beschloß, nach den Pascals zu sehen und tatsächlich einen Teil seiner Arbeit anzugehen. Getan werden mußte sie schließlich. Zwischendurch konnte er Zamorra anrufen. Was dann
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