0274 - Astrano - Herr der Geister
Anwesenheit wußten…
»Der Zirkus sieht aber ganz manierlich aus«, stellte Nicole fest. Der Wolf, der wieder munter wurde, hob den Kopf und sah nach vorn. Er äußerte sich nicht.
Zamorra verlangsamte die Geschwindigkeit und hielt nach einer Parkmöglichkeit Ausschau. »Was meinst du mit manierlich?« fragte er.
»In der Zeitungsmeldung hieß es doch, daß es ein Feuer gegeben habe. Aber da steht nur ein einzelnes Wohnwagenwrack. Viel scheint also nicht passiert zu sein.«
»Ist doch gut«, sagte Zamorra. »Besser, als wenn wir mitten ins Chaos kämen. Wir werden noch genug Chaos um die Ohren bekommen.«
»Hoffentlich nicht…«
Zamorra parkte den Wagen schließlich direkt auf dem Gelände vor den ersten Wohnwagen. Er sah auf die Uhr. »Schlechte Zeit«, bemerkte er trocken. »Die mehrfachen Bremsmanöver haben mich Zeit und Nerven gekostet.«
Er hielt einen Mann an, der zwei leere Eimer so trug, als lägen Steine darin, und fragte nach dem großen Astrano.
»Da drüben«, brummte der Zirkusmitarbeiter, ohne eine bestimmte Richtung anzugeben. Zamorra sah ihm kopfschüttelnd nach.
»Ich sehe den Wagen«, sagte Nicole. »Da drüben, das muß er sein.« Sie deutete auf einen mittelgroßen Wohnwagen, auf dessen Seitenflächen kein Name, aber magische Zeichen aufgemalt waren.
Zamorra furchte die Stirn. Er wußte nicht auf Anhieb, was diese Zeichen bedeuteten, aber magisch gesehen waren sie echt, soviel war ihm klar. Es bewies, daß der Illusionist, der von den Kollegen und der Presse »der große Astrano« genannt wurde, zumindest Ahnung von echter Magie hatte. Also mochte an den Gerüchten doch etwas dran sein.
Das Unbehagen, das Zamorra seit dem Aufglühen des Amuletts erfüllte, war fast greifbar und ließ ihn nicht mehr los. Aber er dachte nicht daran, umzukehren und auf die Unterhaltung zu verzichten. Gerade jetzt nicht! Er mußte feststellen, was hier vorging, und für Ordnung sorgen.
»Hm«, machte er. »Klopfen wir also an. Vielleicht lädt er uns zum Kaffee ein.«
»Oder er verzaubert uns. Hinterher sind wir Wermäuse oder so’n Viehzeug.«
Nicole räusperte sich. »Die Zeichen am Wagen, die sind doch echt, nicht?«
Sie hatte es also auch erkannt. »Kennst du zufällig ihre Bedeutung?« fragte er.
Nicole verneinte. »Aber ich glaube, es ist Schwarze Magie«, sagte sie.
Zamorra sah den Wohnwagen noch einmal genauer an, um die magischen Zeichen zu ergründen, aber auch diesmal waren sie ihm fremd. Man konnte ja schließlich trotz eines umfassenden Wissens nicht jede Kleinigkeit kennen. Trotzdem, wußte er, wäre es in diesem Fall wichtig gewesen…
Der Zettel, den Gryfvgesehen hatte, war inzwischen entfernt worden, aber Zamorra sah die Stelle, wo der Tesafilmstreifen gesessen hatte. Der Lack war hier dünner geworden.
Der Parapsychologe nickte seiner Freundin zu, stieg die kleine Trittleiter hinauf und klopfte an die Tür.
»Treten Sie ein, Monsieur«, ertönte von drinnen die krächzende Stimme.
Zamorra zog überrascht die Tür auf, trat ein und stand in einer anderen Welt.
***
Während der Fahrt verhielten die Polizeibeamten sich schweigsam. Erst in der Wachtstube machte der Ranghöhere wieder den Mund auf, aber nur, um seine Anweisung zu schnarren: »Platz nehmen. Warten Sie!«
Gryf wartete. Es zwar zwecklos, die Uniformierten anzusprechen. Sie gaben ihm keine Antwort. Nur die Verhaftungsformel hatten sie ausgesprochen. Und wie einen Verbrecher hatten sie Gryf in Handschellen abgeführt.
Er trug sie noch. Antonio, von dem er nicht einmal den Nachnamen kannte, war frei. Er stand am Fenster und musterte von dort aus aufmerksam die Einrichtung des Raums. Eine große Sperre mit Tischplatte, ein paar Stühle und hinter der Sperre eine normal wirkende Büroeinrichtung mit Stadtplan und Landkarte. An einer Pinwand hingen Notizzettel.
Antonio war ein ebenso großer Schweiger wie die beiden Polizisten, die Gryf festgenommen hatten. Mehrfach hatte Gryf ihn gefragt, was er mit seiner falschen Anschuldigung bezweckte. Aber Antonio zeigte ihm immer wieder nur die kalte Schulter. Gryfs Versuche, seine Druiden-Kräfte zu benutzen und Antonios Gedanken zu lesen, scheiterten immer wieder, weil diese Kräfte nach wie vor blockiert waren. Eine Veränderung dieses Zustands zum Positiven war nicht in Sicht. So lange würde Gryf hilflos sein.
Eine Tür wurde geöffnet. Ein untersetzter, korpulenter Mann trat ein. Er trug einen graugestreiften Anzug. Der Hemdkragen war wegen der sommerlichen Wärme
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