0275 - Die Frau mit dem Dämonendolch
vernahm. »Dreh dich um und geh zu einem Spiegel!«
Tricia folgte ihm. Sie konnte erkennen, daß ein dünner roter Streifen an seinem Gesicht nach unten rann. Der Wohnwagen besaß ein schmales Bad. Dort war alles vorhanden, was ein Mensch für die Hygiene benötigte.
Der Spiegel hing an der Wand, direkt über dem Waschbecken. Marcel blieb davor stehen und drehte seinen Kopf so, daß er die verletzte Wange betrachten konnte.
Der Schnitt hatte mindestens die Länge eines Fingers besessen und war schräg angesetzt worden. Direkt unter ihm hatte das herausquellende Blut die Wange verschmiert.
Dies sah Marcel auch, aber kaum noch die Wunde. Sie wuchs allmählich zu, und der Mann schaute aus großen Augen in den Spiegel, denn nicht einmal eine Narbe blieb zurück.
Tricia stand hinter ihm. Sie lachte leise. »Nun, mein Lieber?« fragte sie, »wie gefällt dir das?«
Marcel drehte sich um. Seine Mundwinkel zuckten. »Was hast du gemacht?« flüsterte er.
Sie hielt das Messer hoch. Schräg stach ihm die Waffe entgegen, und er richtete seinen Blick auf die Klinge. »Damit«, erklärte Tricia, »habe ich dich geholt.«
»Geholt?«
»Ja, in unsere Mannschaft. Du wirst und du bist schon ein vollwertiges Mitglied. Durch diesen Dolch hat sich dein Blut verändert. Du vergißt all das, was du einmal gewesen bist und lebst nur noch für die alten Götzen und Götter. Aus dem Dschungel bin ich gekommen, nahe der schwarzen Berge habe ich gelebt, und ich bringe einen Zauber mit, den die Europäer noch nie gesehen haben. Ich, Tricia di Monti, bin die Frau mit dem Dämonendolch.«
Marcel nickte, als hätte er alles begriffen. Dabei hatte er nichts begriffen, gar nichts. Er hob nur die Hand, fühlte über seine Wange und schluckte.
»Willst du noch etwas sagen?«
»Nein.«
»Wie fühlst du dich?«
»Gut.«
»Du merkst nicht, daß du inzwischen ein anderes Blut besitzt. Daß dir der Dolch die Kraft gegeben hat, um zwar noch so auszusehen wie immer, dennoch ein anderer zu sein.«
Marcel schüttelte den Kopf.
»Gut«, erklärte Tricia, »dann laß uns gehen! Niemand wird merken, daß wir anders sind als sonst. Wir werden unseren Auftritt, unsere große Nummer, so weitermachen, als wäre nichts geschehen. Allerdings möchte ich sie noch mit einigen Überraschungen spicken, von denen ich dir leider nichts mitteilen kann. Aber du wirst gehorchen, wenn ich dir etwas befehle.«
»Das werde ich.«
Tricia verengte die Augen. Sie schaute dabei auf die Dolchspitze, die ebenso schwarz war wie ihre Seele. »Wenn du alles für mich tun willst, dann muß das auch einen Mord mit einschließen. Hast du verstanden, Marcel? Einen Mord!«
»Ich hörte es.« Marcel zuckte nur kurz mit den Augen. »Sag mir, wen ich töten soll?«
»Das erfährst du noch früh genug«, erwiderte Tricia di Monti teuflisch lächelnd…
***
Vorbei war die Pause!
Die Massen strömten wieder in das große Zelt, und jeder suchte seinen Platz. Im zweiten Teil, so versprach es der Programmablauf, würden die großen Raubtierdressuren folgen und die akrobatischen Hochleistungen unter der Kuppel des Zeltdachs. Dementsprechend waren die Erwartungen der Menschen.
Die zeigten sich nicht mehr so aufgeschlossen oder fröhlich wie bei Beginn der Vorstellung, sondern mehr gespannt. Das zeichnete sich auch auf den Gesichtern ab, als die Besucher das Zelt wieder betraten und auf die Manege schauten, wo der runde Käfig bereits aufgebaut war.
Noch befanden sich die Tiere nicht in seinem Innern. Sie würden erst durch den aufgebauten Gittergang hineingeführt werden.
Viele Besucher fragten sich, ob alles klappen würde. Man hatte ja schon oft von irgendwelchen Unglücken gehört, die während einer Vorstellung passiert waren.
Raubtiere waren oft unberechenbar.
Vier starke Scheinwerfer waren nach oben gerichtet, um die Drahtseildarbietungen verfolgen zu können.
Das Programm hatte Artistik, Dressur und Nervenkitzel versprochen…
Noch waren die Artisten nicht zu sehen, auch die im Programmheft angekündigte Dompteuse namens Tricia di Monti nicht, aber die Besucher hörten bereits das Brüllen der Raubtiere, und manchem rann dabei ein Schauer über den Körper.
Auch die Conollys hatten die Pause überstanden. Mit den meisten Besuchern drängten sie wieder zurück in das Zelt. Bill hatte noch ein Grillwürstchen zu sich genommen, während Johnny auf Gummibärchen kaute. Zu trinken hatte er nichts mehr bekommen, trotz seiner Bettelei.
Bill hatte immer wieder Ausschau nach
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