0275 - Die Frau mit dem Dämonendolch
sich die zahlreichen Wohnwagen wie eine Herde Schafe zusammendrängten und in einem gewissen Chaos zusammenstanden.
Da mußte ich hin.
Um Johnny konnte ich mich nicht kümmern. Zudem sah ich den Kleinen als sicher an, drehte mich und rannte los.
Zwar standen die Wagen ziemlich nahe beieinander, trotzdem gab es Lücken zwischen ihnen. Das waren die Verbindungswege, und in den ersten tauchte ich hinein.
Daß nur ich auf die Schreie aufmerksam geworden war, bewies mir, daß sich die übrigen Artisten und Mitglieder der Truppe bereits am Hauptzelt befanden.
Nach wenigen Yards änderte sich die Aufstellung der Wohnwagen. Jetzt standen sie sich nicht mehr so gegenüber, daß sie eine Gasse bildeten, sondern waren zu einem Rundling oder einer Wagenburg aufgebaut. Vor ihnen befand sich ein großer freier Platz.
Und dort sah ich die Frau.
Sie schrie noch immer. Kauerte auf dem Boden und hielt sich das Gesicht. Eine andere Person war ebenfalls in der Nähe. Leider konnte ich beide nicht genau erkennen, weil Dämmerlicht vom Himmel sickerte und die Szene verschwamm.
Ich sah aber die zweite Person deutlicher. Sie hatte eine andere Haltung eingenommen, stand leicht schräg und hielt den rechten Arm erhoben.
Aus ihrer Faust stach etwas Spitzes hervor.
Die Klinge eines Messers!
War die Frau dabei, eine andere umzubringen? Plötzlich raste mein Herz. Ich schrie sie an: »Lassen Sie das! Sind Sie wahnsinnig!«
Erst jetzt sah sie mich und zuckte auch herum. Sie mußte schon umgezogen sein, denn so lief ein normaler Mensch nicht herum. Sie trug nur eine breite dunkle Bikini-Hose und ein etwas schräg sitzendes Oberteil, das den fülligen Busen verdeckte und zwei armbreite Träger besaß, die über die Schultern liefen. Das Haar war dunkel. Vom Gesicht konnte ich nicht viel erkennen, dazu war das Licht nicht gut genug.
Für einen Moment rührte sie sich nicht. Dann aber machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte lachend davon. Sie war sehr schnell. Ich wollte sie auch nicht verfolgen, sondern kümmerte mich um die am Boden hockende Frau.
Als ich neben ihr stand, hörte ich ihr Weinen und Stöhnen. Noch immer hielt sie die Hände gegen ihr Gesicht gepreßt, und ich ging ebenfalls in die Hocke, um mit ihr reden zu können.
»Was ist mit Ihnen?« fragte ich. »Sind Sie verletzt?«
Die Frau zog die Nase hoch. Allmählich sanken ihre Hände nach unten.
Sie war noch jung, und sie trug keine glitzernde Zirkuskleidung, sondern einen Arbeitsanzug. Wahrscheinlich war sie Tierpflegerin.
Das alles nahm ich nur am Rande wahr. Viel wichtiger war ihr Gesicht.
Und zwar die linke Hälfte. Dort hatte die Klinge sie getroffen. Ein böser Schnitt, der eine ziemlich tiefe Wunde hinterlassen hatte. Sie hatte sich wie ein Querstreifen über ihre Wange gezogen, und das Blut sickerte in dicken Tropfen daraus hervor.
Das Mädchen mußte Schmerzen haben. Es schaute mich an, wollte etwas sagen, stöhnte jedoch nur.
»Wer hat es getan und warum?« fragte ich.
»Sie…sie ist verrückt.«
»Wer denn?«
Als ich nach ihrem Arm griff, schüttelte sie sich. »Nein, lassen Sie mich, Mister, nicht!«
»Sie können doch nicht…«
»Doch, ich kann.« Plötzlich hörte ihr Schluchzen auf, und sie war wieder völlig normal. »Es…es ist alles meine Schuld, glauben Sie mir! Alles nur meine Schuld. Ich hätte mich eben auf das Spiel nicht einlassen sollen, verstehen Sie?«
»Auf welches Spiel?«
Sie zog die Nase hoch und schüttelte den Kopf. Die kurzen hellen Haare vibrierten. »Das spielt keine Rolle, Mister. Halten Sie sich bitte da raus, okay?«
Das wollte ich nicht. »Sie sind angegriffen worden. Man hat Sie mit einem Messer traktiert und verletzt.«
Das Mädchen wischte über seine Wunde. »Na und?«
Fast hätte ich gelacht. »Mehr haben Sie nicht zu sagen?«
»Nein.« Sie schaute mich an. Dabei hatte sie Mühe, ihren Schmerz zu überspielen. »Sie sind bestimmt ein Besucher. Oder irre ich mich da, Mister?«
»Keineswegs.«
Sie schaute zu, wie das Blut zu Boden tropfte. »Dann verschwinden Sie jetzt, sonst verpassen Sie noch den Beginn der Vorstellung. Das wäre schlimm. Es ist wirklich ein gutes Programm«
»Und Sie?«
»Ich komme schon zurecht. Keine Sorge.« Sie verzog die Mundwinkel.
Vielleicht sollte es ein Lächeln werden, für mich allerdings war es mehr eine Grimasse. Sie mußte stärkere Schmerzen haben, als sie zugeben wollte. Geschickt stemmte sie sich auf die Füße.
Auch ich kam hoch. Noch einmal trafen sich für einen
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